Der Betriebshof 4a in der Wilhelmstraße
Betriebshof 4 (alt), ab 1931 Nr. 8, später in 4a geändert, Wilhelmstraße Nr. 19
6.10.1877 – 1930
- Bau für Pferdebahn
- 1884 verlängert
- 1900 Umbau und Vergrößerung für elektrischen Betrieb
- Nach Vergrößerung des Bahnhof Soxhletstraße wurde er als Betriebshof aufgelassen und von der Gleisbaubearbeitungswerkstätte übernommen.
- Auszug der Gleisbauwerkstätte 1970 und Räumung des Geländes.
Die Motorwagenhalle existiert noch heute als Trainingsraum für eine Tanzschule. Allerdings ist die ehemalige Zufahrt von der Wilhelmstraße heute mit dem Neubau des Hauses 19a verbaut.
Mit dem Bau der zweiten Münchner Pferdebahnlinie durch die Firma Edouard Otlet vom Schillerdenkmal (heute Platz der Opfer des Nationalsozialismus) über den Odeonsplatz und die Ludwig- und Leopoldstraße nach Schwabing zuerst nur bis zum Burgfrieden (heute etwa an der Nikolaistraße), die am 6. September 1877 eröffnet wurde, ergab sich die Notwendigkeit zu einem zweiten Pferdebahndepot. Da die bis zum Grosswirt im damals noch selbständigen Dorf Schwabing (heute Münchner Freiheit) geplante Verlängerung sich wegen Grunderwerbs-Schwierigkeiten noch verzögerte, legte man vom Burgfrieden durch die Hermannstraße (heute Hohenzollernstraße) und die Wilhelmstraße ein Gleis zu einem neuen Depot in der Wilhelmstraße No. 19. Das Gelände wurde vom Kirchengut Schwabing erworben und war damals 23 Ar (2300 m²) groß. Es erhielt einen Pferdestall für 80 Pferde, in dem auch die Hufschmiede, zwei kleine Magazinräume und zwei Arbeitsräume untergebracht waren. Außerdem wurde eine hölzerne Wagenhalle für 20 Pferdebahnwagen errichtet. Nach Übergang der otletschen Trambahngesellschaft auf die neue MTAG 1882 musste die Wagenhalle dann 1884 verlängert werden für eine Abstellkapazität von insgesamt 36 Wagen.
Das ist mal ein ordentlicher Schritt zurück: Das Depot an der Wilhelmstraße im Plan von 1882. Die Leopoldstraße heißt noch Schwabinger Landstraße und die Hohenzollernstraße heißt noch Hermannstraße, auf dem Nikolaiplatz steht noch das Nikolaikircherl und die Pferdetrambahn endet an der Maffeistraße, die Straße, durch die die fertigen Loks von Maffei in der Hirschau transportiert wurden, heute die Feilitzschstraße.
Tramway Stallungen ist im Plan vermerkt
1894 erhielt die neue Trambahnlinie vom Promenadeplatz über die Barer Straße zur Hohenzollernstraße über ein 600 m langes Betriebsgleis in der Hohenzollernstraße ebenfalls einen Anschluss an das Depot Wilhelmstraße. Bei Einführung des elektrischen Betriebs sollte das kleine Depot zuerst aufgelassen und durch ein neues Depot an der Ungererstraße ersetzt werden. Diesen Plan ließ man jedoch fallen, da die Lage des Depots Wilhelmstraße für die Schwabinger Linien betrieblich äußerst günstig war. Daher wurden noch 1620 m² Grund hinter dem Depot dazu gekauft und alle alten Gebäude dann ab Januar 1900 abgebrochen.
Neu errichtet wurden im rückwärtigen Bereich auf der Nordseite eine zweigleisige Werkstätte, auf der Südseite eine fünfgleisige Anhängerhalle für 43 Beiwagen, die aus Platzgründen über einen Transporteur angeschlossen werden musste, und im vorderen Bereich die sechsgleisige Motorwagenhalle für 48 Motorwagen. Die Motorwagenhalle wurde von Anfang an von der Wilhelmstraße über eine Gleisharfe angefahren.
In der Werkstätte konnten sechs Motorwagen bearbeitet werden. Außerdem besaß sie auf der Südseite eine Schmiede, einen Schaffnerraum und weitere Nebenräume. Im ersten Stock war die Werkmeisterwohnung untergebracht. Da zur dieser Zeit immer noch Pferdebahnlinien auch von der Wilhelmstraße bedient wurden, musste in der Beiwagenhalle noch eine provisorische Pferdestallung eingerichtet werden.
Gruppenfoto aus dem Jahr 1900: Epochenwechsel auch im Depot an der Wilhelmstraße. Die Pferdetram wird verabschiedet und die Elektrische zieht ein.
Das (vielleicht) Abschiedsbild der Pferdebahn aus der Wilhelmstraße ist bei genauer Betrachtung hoch interessant.
Die meisten Arbeiter (aber fast alle mit Weste) waren anscheinend noch für den Betrieb der Pferdebahn notwendig (etwa 15 Arbeiter). Immerhin hatte jeder eine Taschenuhr mit bestimmt silberner Uhrkette, die in der Weste getragen wurde. Pünktlichkeit war damals auch schon gefordert.
Der linke Arbeiter vor dem TW 52 hält Bürste und Striegel für die Pferdepflege in den Händen. Der nächste hält eine undefinierbare Büchse in der Hand aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Elektrik. Der Herr mit Melone ist sicher ein Chef, vielleicht der Chef des Betriebshofs Wilhelmstraße. Dann kommt eindeutig der Hufschmied, der ja eindeutig bei der Elektrischen nicht mehr gebraucht wurde und dann als normaler Schmied Reparaturen auszuführen hatte. Der Mann mit Weste und Sacko ist sicher ein Wagenführer der Pferdebahn.
Der nächste Arbeiter hat ein Ortscheit zum Anschirren eines Pferdes an die Deichsel in der Hand. Dann kommen wohl die Stallknechte mit Besen, Mistgabel und Schaufel zum beseitigen der Roßbollen und sonstige Hinterlassenschaften der Pferde. Was der sitzende Arbeiter auf dem Schoß hat, kann ich nicht erkennen. Der Arbeiter ohne Mütze und Weste hält ein Geschirrteil eines Pferdes in der Hand.
Am „Besetzt“ Schild hat man anscheindend einen Trauerkranz zum Abschied aufgehängt. Die drei Uniformierten sind dann wohl Pferdebahnfahrpersonal und die Dame gehört sicher zum Putzgeschwader für die Fahrzeuge.
Wohl zum Abschied hat dann ein Pferd noch voll Verachtung für die neue Elektrische vor die versammelte Mannschaft seine Roßäpfel fallen lassen.
Man erkennt deutlich die enorme Personaleinsparung durch die Elektrische gegenüber der Pferdetram.
Interessant ist auch, dass der Motorwagen beim Ausfahren sein Stangerl vor sich her schiebt. was bei Weichen und Kreuzungen immer zu Problemen geführt hat und daher von einem zweiten Mann an der Fangleine in die richtige Richtung gelenkt werden musste. Erst vor dem Depot, wohl in der Wilhelmstraße konnte dann das Stangerl in die richtige Richtung umgelegt werden. Das habe ich in Hamburg noch erlebt, die haben das ja bis zum letzten Tag so praktiziert und hatten auch einige Depots, die keine Durchfahrt erlaubt hatten, wie später alle Münchner Depots.
Also solche alten Bilder erzählen oft eine sehr spannende Geschichte.
Dieter Kubisch
Schon im September 1900 wurde dem Stadtmagistrat ein 162 m² großes Grundstück östlich der Anhängerhalle angeboten, das auch erworben wurde. Dadurch konnte der umständlich zu handhabende Transporteur ausgebaut und durch eine Gleisharfe ersetzt werden. Bei der Nummerierung aller Münchner Trambahndepots erhielt das Depot Wilhelmstraße die No. 4.
Ein Foto aus dem Jahr 1910 zeigt die Wilhelmstraße mit der eingleisigen Zufahrt zum Depot und im Vordergrund die kreuzende Hohenzollernstraße sowie den Turm des Oskar-von-Miller-Gymnasiums im Hintergrund.
Nachdem das 1913 in Betrieb genommene zweite Schwabinger Depot an der Soxhletstraße 1929 durch den Neubau einer weiteren Wagenhalle stark erweitert worden war, konnte man auf das Depot Wilhelmstraße verzichten. Allerdings wurde das Depot deshalb nicht aufgegeben. Im Gegenteil, jetzt zog die Gleisbaubearbeitungswerkstätte, die im Depot Schäftlarnstraße keinen Platz mehr hatte, in das geräumte Depot. Dafür erfolgten dann auch einige Umbauten. Ab 1931 wurde das Depot dann als Depot No. 8 geführt. Später wurde das Depot aber wieder als No. 4a bezeichnet
Helmut Silchmüller betrieb in der Hohenzollernstraße 17 (heute ein Hörgeräte-Fachgeschäft) ein gutgehendes Fotogeschäft. Nach einem Bomenangriff 1944 stiegt er auf das Dach seines Hauses und machte dieses Foto über die Hohenzollernstraße nördlich hinweg. Dabei kann man gut das von den Bomben verschonte Depot an der Wilhelmstraße mit seinen markanten Quergibeln erkennen.
© 1944 Foto Silchmüller
Es überstand den Krieg ohne gravierende Schäden und wurde erst 1970 im Zuge der Einstellung der Linien in der Ludwig-/ Leopoldstraße wegen des U-Bahnbaus geräumt.
Ein Blick 1970 auf das bereits verlassene Depot an der Wilhelmstraße.
Zufahrt Wilhelmstraße von Hohenzollernstraße 1964
1954 steht der Schienenschleifwagen im Depot an der Wilhelmstraße.
Das noch komplette Depot wurde noch eine Zeit lang von einem Taxiunternehmen und Gebrauchtwagenhandel genutzt, ehe die Werkstätte und die ehemalige Anhängerhalle abgerissen und durch Wohngebäude ersetzt wurden. Die Motorwagenhalle existiert jedoch noch heute als Trainingsraum einer Tanzschule und ist auch sehr schön restauriert. Leider wurde jedoch die Ostseite teilweise durch den Neubau der Hausnummer 19a verbaut.
Der Vollständigkeit halber hier noch die Abbruchgenehmigung der Wagenpflegeanlage und Einstellhalle, damit unsere Dokumentation auch komplett ist.
Der Blick im Jahr 2015 auf die heute hier eingezogene „Hochschule für Musik und Theater München“.
Wenn’s heute noch so wäre: Ein virtueller Flug von der Münchner Freiheit zur Wilhelmstraße – Häuser von heute, Streckenplan von damals.
© GoogleEarth, Simulation Reinhold Kocaurek
2021 kommt Post vom „Inspettore Derrick Official Fan Club Italia“. Man fragt uns, ob wir bestätigen können, wo Ausschnitte aus der ZDF-Krimi-Serie „Derrick“ Folge 60 gedreht wurden. Die Serie wurde 1979 tatsächlich in der damals gerade übergangsweise zu einem Tanzstudio umgebauten erhaltenen alten Wagenhalle innen und außen gedreht.
© ZDF für alle Bilder
© FMTM e.V.
Diese Dokumentation entstand mit der Unterstützung von Peter Hübner, Klaus Onnich, Dieter Kubisch, Florian Schütz und Frederik Buchleitner sowie dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Staatsarchiv München und besonders dem Stadtarchiv München. Zusammengetragen & umgesetzt hat diese Seite Reinhold Kocaurek.