Die Geschichte der Bahnunterführung der Dreimühlenstraße ist sehr eng mit der Geschichte der Unterführung der Thalkirchnerstraße unter der Simbacher Bahnstrecke verbunden. Es war ein langen Hin und Her, bis schließlich die Unterführungen gebaut wurden. Daher geht es im Folgenden mal um die Unterführung an der Thalkirchnerstraße, mal um die an der Dreimühlenstraße.
Unser ältester Plan der Kreuzung der Thalkirchnerstraße mit der königlich Bayerischen Staatsbahn kommt aus dem Jahr 1876 und zeigt die damalige Ausdehnung der Stadt und den zweigleisigen Bahnübergang der Thalkirchnerstraße.
Im Jahr 1883, dem Jahr, als die Lindwurmstraße schon statt des dortigen Bahnübergangs eine Unterführung bekam, ist der Plan rechts. Der Südbahnhof bediente hier den nördlich gelegenen Vieh-Markt-hallen und die städtischen Lagerhäuser südlich davon. Eine nennenswerte Wohnbebauung gab es in diesem Bereich noch nicht. Allerding brachten Bahnhof und Arbeitsplätze dann den Aufschwung dieses Gebiets, was wiederum die MTAG veranlasste, hierher später eine Pferdebahn fahren zu lassen. Dazu gab es schon seit 1883 detaillierte Planungen. Weiter lagen östlich zur Isar hin und am Dreimühlenbach, wie der Name schon verrät, einige Mühlen und Flußländen mit holzverarbeitenden Betrieben. Die Thalkirchnerstraße hatte hier seit 1870 einen Bahnübergang über die damals erst zweigleisige Bahnstrecke vom Hauptbahnhof zum Ostbahnhof und nach Salzburg, im Plan unterhalb des Kaffee-Flecks.
Die Karte vom Oktober 1884 zeigt die Simbacher Bahnstrecke mit den Brücken über den Dreimühlenbach, die Staubstraße und den großen Stadtbach.
Der Durchlass des Dreimühlebachs in der ersten Planung vom Mai 1868. Der Durchlass von 22 Fuß wurde auf Anraten des Stadtbauamtes auf 26 Fuß erweitert, um bei Hochwasser nicht den Bahndamm zu beschädigen.
Schon bei der Planung der Simbacher Strecke durch den Süden Münchens im Jahr 1866 wurden Stimmen laut, die befürchteten, dass durch den Bahnbau die südlichen Handelsrouten der Fuhrwerke und des Warenverkehrs behindert würden. Die Fuhrwerksbetreiber waren sowieso schon sehr verärgert über die Konkurrenz, die ihnen durch den Güterverkehr auf der Schiene, der meist schneller und billiger war, erwachsen war. Und nun versperrte Ihnen die Bahn den Weg und brachte Wartezeiten an den Bahnübergängen, an denen der Konkurrent Bahn die Vorfahrt hatte. Weiter kann man in Berichten aus dieser Zeit lesen, dass die Dampfrösser ihren vierbeinigen Namensvettern große Angst einflößten. An dem Giesinger Bahnübergang, heute die Pilgersheimerstraße, gab es ab Betriebsbeginn 1871 Berichte von scheuenden Pferden und ausgerissenen Ochsen von Gespannen, die durch die Dampflokomotiven erschreckt wurden.
Für den Bau der Abzweigung der geplanten Isartalbahn aus dem Gleisfeld des Südbahnhofs entstand dieser Plan im Jahr 1888, der sehr gut die Situation der Straßenübergänge zeigt. Die Thalkirchnerstraße hatte damals nicht nur einen Bahnübergang mit der Staatsbahnlinie, sondern auch mit diversen Zufahrtsgleisen zu den städtischen Lagerhäusern. Lediglich der Dreimühlenbach hatte einen Durchlass durch den Bahndamm und die Staubstraße und der Stadtbach am östlichen Portal der Braunauer Brücke.
Die Thalkirchnerstraße war ein gut befahrene Route für die Fuhrwerke, die zu den außerhalb der Bahnstrecke liegenden städtischen Lagerhäusern und dem Holz- und Steinehof der Stadt. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ berichteten erstmals am 7.März 1888 von Planungen zu einer Unterführung der Thalkirchnerstraße.
Das Stadtbauamt legte im Mai 1888 erste Pläne zu einer Unterführung an der Thalkirchnerstraße vor. Dabei orientierte man sich an der vor 5 Jahren gebauten Unterführung der Lindwurmstraße und den damaligen zwei Varianten der Brückenbautechnik: der Bau aus Steinen und der einer Eisenbrücke. Die Eisenbrücken waren inzwischen durchaus bewährt und verlangten wegen der relativ geringen Bauhöhe der Eisenträger keine so tiefe Aushebungen für den Straßenbau, war wiederum Geld sparte.
Das Rauschen im Blätterwald…
Starke Worte zitiert der Zeitungsartikel aus den „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 7.September 1888 im Zusammenhang mit dem Südbahnhof. Aber die Notwendigkeit des Baus einer Unterführung an der Thalkirchnerstraße und nicht der Dreimühlenstraße wird deutlich.
Für eine Unterführung an der Thalkirchnerstraße warb man sogar mit der Möglichkeit des Baus einer modernen Dampftrambahn auf diesem Streckenabschnitt in dem Artikel der „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 21.September 1888.
Die Thalkirchnerstraße war neben der Sendlinger Landstraße, der späteren Lindwurmstraße, eine der großen Ausfallstraßen in den Süden von München. Daher stand auch hier am Stadtfrieden der Residenzstadt München ein Zollhaus und weil das wichtig ist, ist es auch in unserem Stadtplan von März 1890 schwarz unübersehbar vermerkt. Heute ist das die Abzweigung der damals schon geplanten Reifenstuelstraße, durch die später auch die Trambahn fuhr.
Die Thalkirchnerstraße ist hier noch deutlich mit einer Schranke verzeichnet. Unterhalb der Schrankenanlage sieht man den seit 1871 bestehenden Bahnhof Thalkirchen, ab 1876 der Südbahnhof.
In der Vorlage der königlichen Bayerischen Staatsbahn von 1889 an den Landtag zur Erweiterung der Bahnanlagen steht auch der Bahnübergang an der Thalkirchnerstraße ganz oben. Dabei gibt es allerdings einige Probleme neben der offenen Finanzierung. Da auch die umliegenden städtischen Lagerhäuser, der städtische Holz- und der städtische Steinehof betroffen sind, sind weitere Baumaßnahmen von Seiten des Magistrats nötig, die abgestimmt werden müssen.
Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ berichten am 27.Februar 1890 von dem Interesse der Münchner Bürger, zuerst die Dreimühlenstraße mit einer Unterführung auszustatten und dann die Thalkirchnerstraße.
Der Finanzausschuss tagte am 15.April 1890 zum Thema der Thalkirchnerstraße und ihrer möglichen Unterführung und genehmigte neben anderer Vorhaben einen Betrag von 270.000 Mark. Das Geld ist nun aufgebracht, – fehlt nur noch die Unterführung selbst.
Im Katasterplan vom April 1891, der zur Planung der Pferdebahnstrecke zum Isartalbahnhof herangezogen wurde, ist die Dreimühlenstraße noch gar nicht bis zur Bahnstrecke geführt und hatte auch keinen Bahnübergang. Einzig die Staubstraße und der Große Mühlbach wurde als Projekt VIII unter der Bahnstrecke durchgeführt und der Dreimühlenbach als Projekt VII.
Die Angaben zu dem Bau der Simbacher Bahnstrecke vom Centralbahnhof zum Ostbahnhof entnehmen wir Originalakten der Generaldirektion der Staatsbahnen, die wir im Bayerischen Staatsarchiv München einsehen durften. Die 4 Original-Ordner mit je ca. 800 Seiten geben eine direkten und detaillierten Einblick in dieses Projekt bis hin zur Originalunterschrift des Königs.
Anekdote am Rande: der Zimmermeister Johann Ehrengut wurde am 22.April 1868 offiziell beauftragt, das Bauholz für die Fundamentierung der Brücken, – damals „Kunstbauten“ genannt, zu liefern. Er hatte sein Sägewerk unweit von hier am Dreimühlenbach, heute bei der Ehrengutstraße, also kurze Wege.
Im Juni 1891 lag dann die Planung für beide Unterführungen vor, die der neu zu bauenden Dreimühlenstraße und die der Thalkirchnerstraße.
Dieser Plan zeigt auch die neuen Baulinien an der Dreimühlenstraße und der Reifenstuelstraße. Aber man kann auch gleich die trotz Unterführungsbau belassenen weiter südlich liegenden die Thalkirchnerstraße kreuzenden Bahngleise der Stadt zwischen ihren Lagerhäusern sehen. Allerdings waren diese weit weniger befahren und daher für den Verkehr Richtung Süden und aus Süden kommend kein Problem.
Magistrat der königl. Haupt- und Residenzstadt München.
Betreff: Die Weiterführung der Dreimühlenstraße.
Die beiden Gemeindecollegien haben am 27. Oktober bezw. 5. November
1891 beschlossen:
- Die Unterfahrt an der Dreimühlenstraße auf Rechnung der Gemeinde
München durch die Staatsbahnverwaltung mit einem von der letzteren voranschlagsweise berechneten Kostenaufwand von 65600 Mark und - die Dreimühlenstraße mit 18 m Breite von der projektirten
Verbindungsstraße zur Staubstraße bis zum Wollfilzmanufakturanwesen mit einem mutmaßlichen Kostenaufwand von 7500 Mark in Summa 73100 Markherzustellen.
Nunmehr liegt die Abrechnung der Bahnverwaltung über die Unterführung der Dreimühlenstraße vor und beziffern hienach die von der Stadtgemeinde zu deckenden effektiven Kosten in Summa 40275 Mark .
Hier ist kurz zu klären, warum auch die Localbahngesellschaft der Isartalbahn hier mit Geld aufbringen musste. Es betraf ihre Zufahrtsstrecke von der Staatsbahnstrecke zum Isartalbahnhof, die von ihr genutzt wurde. Diese beiden Brücken gibt es ja heute noch, allerdings inzwischen durch Spannbeton-Bauwerke neueren Datum ersetzt. Die Wollfilzmanufaktur musste ebenfalls mit Anteile bezahlen, weil sie nun direkt durch die Dreimühlenstraße ohne Bahnkreuzung bequem erreichbar war, das ließ sich der Besitzer auch etwas kosten.
Dieser Plan vom Januar 1892 zeigt, dass nun diese geplante Unterführung an der Thalkirchnerstraße keine 2 Gleise, sondern 5 Gleise zu unterfahren hatte, wobei ein weiteres Gleis von der Stadt für die Belieferung ihrer Lagenhäuser bestimmt war. Die Staatsbahn allerdings finanzierte nur ihre 4 Staatsbahngleise, die Gleise der Zufahrt zu den städtischen Hallen musste der Magistrat planen & zahlen & verabschieden.
Weil die Originale immer am besten die Historie belegen: der Stempel des 1.August 1892 besiegelt den Plenarbeschluss, dass neben der Unterführung der Bahn nun auch eine Unterführung unter den Gleisen zu den städtischen Lagerhallen und Stein- und Holzhof von der Stadt gebaut wird. Nun steht dem Bau der Unterführungen an der Thalkirchnerstraße nichts mehr im Wege.
Am 14.November 1893 besichtigten die Magistrats- und Bauamtsleiter H. Frauenholz und H. Otto und von der Generaldirektion der Staatsbahn H. Straub und H. Endress gemeinsam die fertiggestellten Unterführungen nacheinander, H. Bullinger führte Protokoll. Sie begannen mit der Unterführung an der Thalkirchnerstraße und gingen danach zur Unterführung an der Dreimühlenstraße. Der Wetterbericht für den Besichtigungstag meldet 2° und Regen. So kann man auch verstehen, dass die Abnahmekommission bei beiden Brücken bemängelte, dass Regenwasser von der Brücke (Eigentum der Staatsbahn) auf das Trottoir im Eigentum der Stadt tropfte.
An dieser Stelle kommen wir in einem eleganten Bogen zur Pferdebahn: in den Bericht wird im letzten Absatz die Pferdebahn erwähnt. Ab dem 01.05.1892 wurde nach einer Bauzeit vom 27.4.1892 bis 1.6.1892 die Strecke der Pferdebahnlinie vom Färbergraben zur Schäftlarnstraße über die Thalkirchner Straße zweigleisig in Betrieb genommen und damit der neu in Betrieb genommene Isartalbahnhof mit der Stadt verbunden. Allerdings fuhr die Pferdetrambahn bis 1.6.1892 nur bis zur Reifenstuelstraße, da die weitere Strecke noch nicht fertig war.
Bei der Planung der Elektrifizierung dieser Unterführung an der Dreimühlenstraße gab es Probleme mit der Staatsbahn, die ihren nagelneue Brücke nicht gleich angebohrt haben wollte.
„Bekan̅tlich beabsichtigen wir auf der Trambahnlinie Färbergraben –
Isarthalbahnhof im nächsten Frühjahr den elektrischen Betrieb mit
oberirdischer Stromführung einzurichten, u. liegen die Akten bereits den
höchsten Stellen zum Zwecke der Genehmigung des Projektes vor. Bei der
Unterfahrt unter den Geleisen de Staatsbahn u. der Isarthalbahn in der
Reiffenstuel- bezw. Dreimühlenstraße soll die Kontaktleitung in der Weise
angebracht werden, daß den T-Trägern der Überbrücke~ ca 30cm breite
Bretter, unter welchen der Leitungsdraht gezogen wird, mittels Klam̅ ern
aufgehängt werden, – eine Befestigungsart, durch welche jede Anbohrung
oder Beschädigung der Eisenconstruktion ausgeschlossen ist.“
Von März bis Juni 1895 wurde die Fahrleitungsanlage errichtet, die Fahrdrähte der Fahrleitung wurden,dabei 6,5 Meter oberhalb der Schienenoberkante zwischen Masten oder an den Wänden der benachbarten Häuser verspannt. Am 17. Juni fand eine genaue technische Überprüfung statt und im Anschluss verkehrten zur Schulung des Personals die elektrischen Wagen leer und langsam zwischen den Pferdebahnwagen. Am 23.6.1895 war es dann soweit: Auf der Strecke zwischen Färbergraben und Isartalbahnhof wurde der erste elektrische Betriebs in München aufgenommen. Offiziell eröffnet wurde die Strecke am 1.7.1895. Nun fuhren elektrische Trambahnwagen durch die Unterführung in der Dreimühlenstraße.
Die beiden Brücken an der Dreimühlenstraße im Jahr 1930: die beiden Originalbrücken von 1893.
Diesen Blick hat man selten: als ich mich 2012 auf der Brücke des Anschlussgleises zum Isartalbahnhof rumtrieb, machte ich dieses Bild von der Unterführung an der Dreimühlenstraße, jetzt im zeitgemäßen Spannbeton-Look.