Marienplatz Schleckergässchen

Das Schleckergässchen am Marienplatz


Der Zeitgeist setzt neue Akzente und so war Ende des 19.Jahrhunderts das Schleckergässchen völlig unabhängig vom Namen einer verflossenen Drogeriekette auf die Ansammlung von Feinkostgeschäften zurückzuführen. Zwar wurden Mitte des 19.Jahrhunderts die Straßennamen weitgehend von z.B. „Kaufingergasse“ in „Kaufingerstraße“ umbenannt, um etwas Großstadtflair zu verbreiten, aber das Schleckergässchen war weiterhin ein Gässchen. Und jetzt kam die elektrische Trambahn, und wollte eine Strecke als Verlängerung der in der Sendlingerstraße am Färbergraben endenden Linie durch das enge Gässchen zum Marienplatz und weiter zum Odeonsplatz bauen, die Nord/Süd-Durchquerung des Stadt.

Das Schleckergässchen 1895 einmal von Süden und einmal von Norden.

Am Schleckergässchen rechts unten wird es verdammt eng und die Trambahn wird eingleisig geplant. Am 27.11.1907 wird auf dieser Route durch das Schleckergässchen der Betrieb aufgenommen. Am 30.April 1908 wird der Ausbau auf eine zweigleisige Durchfahrung des Schleckergässchens beantragt und mit Schreiben vom 25.6.1908 unter Auflagen genehmigt, – Genehmigungs-Verfahren waren damals etwas schneller wie heute, aber auch die Sitten etwas rauher: wie bekomme ich eine für eine Trambahntrasse zu schmale Gasse breiter:

Die Verbreiterung des Schleckgässchens ist beschlossen, jetzt müssen nur noch die Kleinigkeiten wie „Zwangsabtretung zum öffentlichen Zweck“ wie im Schreiben vom 25.6.1908 zu lesen, durchgesetzt werden für das Haus links im Bild.

Der letzte Akt vom 21.5.1909 zeigt, dass die Geschichte um das Eckhaus gelaufen ist und das Bild von 1910 zeigt den Abriss des Hauses und dadurch wurde das Schleckergässchen breiter. Der jahrelange Streit ist beendet.

Aber der Ärger an dieser Engstelle geht noch länger weiter: am 8. Oktober 1908 gibt es weitere Beschwerden von Trambahnführern und Schaffner über Behinderungen auf diesem Streckenabschnitt: an vielen Stellen in München an besonders engen Stellen war es üblich, über Wechselweichen kurzzeitig das Gegengleis zu nutzen, um Fuhrwerken beim Be- oder Entladen ausweichen zu können. Das ging aber wohl nicht immer gut. 

Auf der gesamten Strecke vom Odeonsplatz bis über den Marienplatz zum Sendlingertorplatz besteht ein Anhängerverbot des Verkehrsministeriums. Damit kann man das  erhöhten Verkehrsaufkommen aber nicht bewältigen.

Das Schleckergässchen bekommt, wenn man sich die alten Akten durchsieht, durchaus einen gewissen Ruf eines Problemort in der Innenstadt: nicht nur die Trambahn macht Ärger, auch die  Fußgänger und die öffentlichen Arkaden der angrenzenden Häuser mit Schreiben vom 20. Januar1909.

Nach vielerlei Beschwerden über das Verhalten und die Lautstärke der Fluchereien des Betriebspersonals sowie laute Kuppelarbeiten und überhöhte Geschwindigkeiten, ergeht am 20.April 1909 ein strenger Erlass an die Betroffenen.

Am 3.Juni 1909 ergeht ein Schreiben in der Gegenrichtung an die Polizeidirektion mit einer Beschwerde über das Verhalten der Fuhrleute, dieses Mal am Kühbogen in der Theatinerstraße. Fast möchte man meinen, diese engen Straßenzüge waren wirklich nur bedingt für einen gemeinsamen Trambahn, Straßen- und Fußgängerverkehr geeignet. 

Die Theatinerstraße auf der Höhe Am Kühbogen 1908: alles recht schmal.

Die Theatinerstraße im Jahr 1920: der Fuhrwerksverkehr wird immer mehr durch einen enorm dichten Automobil-Verkehr mit heftiger Parktätigkeit ergänzt: das Verkehrschaos in der Theatiner- und Weinstraße war vorprogrammiert. Außerdem bot die Theatinerstraße vor allem zum Odeonsplatz hin praktisch keinen Platz neben dem Straßenbahnverkehr.

Die Auseinandersetzungen gehen am 25.April 1912 weiter: der Weinhändler Barbarino mit wuchtigem Briefkopf und ebensolchen Worten behindert mit seinen Fuhrwerks-Aufstellungen bei der Anlieferung nicht nur die Trambahn, sondern auch die gegenüberliegenden Geschäfte.

Wir könnten noch seitenweise über Scharmützel und Streitigkeiten, Beschuldigungen und Verfügungen berichten, kurz zusammengefasst erfasst mich die Erkenntnis, dass sich zu heute nicht viel geändert hat.

Unser letztes Dokument vom 17.Januar 1916 geht dann schon über den Kriegsbetrieb rund um das Schleckergässchen. 

Das Bild aus dem Jahr 1924 zeigt einen Wagen der Linie 15 aus dem Schleckergässchen zum Marienplatz kommend.

Unsere Gleisbauchronik vermerkt noch am 19.3.1934 einen Gleisbau mit Schienenerneuerung Rindermarkt, ab 1944 ist die Strecke durchs Kriegseinwirkungen so schwer beschädigt, dass sie stillgelegt wird und nun nur noch Geschichte ist.

Im Mai 1954 hat der Autoverkehr das ehemalige Schleckergässchen zurückerobert, ohne eine Trambahn. Heute ist diese Passage in München eine Fußgängerzone, wie sie das 1895 schon mal war.

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