Die Schleifen in Neuperlach
Besser wie dieser Ausschnitt aus der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“ Ausgabe 5.Juni 1899 kann man es nicht beschreiben.
Der große Trend-Sport, wie man heute sagen würde, war Ende des 19.Jahrhunderts das Fahrradrennen: die Rennbahn in Perlach konkurrierte mit der Radrennbahn von Milbertshofen und bot laufend Radrennen in verschiedenen Disziplinen an. Unsere Bilder sind von 1899 und 1900
Die schier unbegrenzten Ideen der Trambahnplanung mit den nun elektrischen Trambahnen ohne große Einschränkungen ergab schon 1897 eine Strecke von der Rosenheimerstraße weiter über Ramersdorf nach Perlach. Ramersdorf wird im kühnen Schwung umfahren und in Perlach gibt es neben der Kirche ein Trambahndepot. Man muss diese Planungen parallel zu den anderen Projekten sehen, die Strecken nach Pasing, Moosach oder Grünwald. Das waren Entfernungen, wie man sie heute mit dem S-Bahn-Bereich vergleichen könnte. Aber das Perlach-Projekt wurde nicht umgesetzt.
Ein gewagten Schritt 70 Jahre weiter: Da die Stadt München in den 1950er-Jahren rapide wuchs und sich einer großen Wohnungsnot gegenübersah, beschloss der Münchner Stadtrat 1960 den Bau von „Entlastungsstädten“. Ins Auge gefasst wurden Standorte in Oberschleißheim, Freiham und Perlach. Für den Bereich der Gemarkung Perlach erstellte das Baureferat zwischen 1961 und 1966 eine Planungsstudie und einen umfassenden Strukturplan für eine Satellitenstadt von 80.000 (später 70.000) Einwohnern. Die dafür zuständige Planungsgruppe stand seit 1963 unter der Leitung Egon Hartmanns, der 1951 den Wettbewerb zur Bebauung der Ost-Berliner Stalinallee gewonnen hatte. Mit der Bodenordnung und der Koordination der baulichen Umsetzung wurde das gewerkschaftseigene Unternehmen Neue Heimat beauftragt.
Schöne neue Welt vom Reißbrett: 1971 sind die ersten Bauabschnitte fertig und sind bezugsfertig. Da muss eine Trambahnverbindung zur Innenstadt geschaffen werden.
Die Baustelle der Gleisarbeiten der Strecke nach Neuperlach geht noch etwas ins Niemandsland: der so frühe Planung- und Umsetzungssvorgang für eine Verkehrsanbindung eines neuen Stadtviertels, das noch gar nicht gebaut ist, ist einmalig in München. Obwohl geplant ist, Neuperlach ab 1980 per U-Bahn zu erschließen, baut man noch eine Trambahnstrecke mit einem geplanten Verfallsdatum.
Ab dem 12.9.1970 geht der 2,37 km Doppelgleis-Betrieb auf der Strecke durch die Heinrich Wieland Straße zwischen Michaelibad und der provisorischen Schleife nördlich der Ständlerstraße in Betrieb. Die Schleife verfügt über ein Hinterstellgleis, das später bei der Weiterführung der Strecke einen Kilometer weiter zum Haltepunkt Neuperlach-Zentrum benutzt wurde.
Die ersten Wagen wenden 1970 in der provisorischen Schleife vor der Ständlerstraße. Auf den Zielschildern steht schon „Perlach“. Auf der Linie 29 dreht gerade eine P-Wagen, während auf dem Hinterstellgleis ein M-Wagen der Linie 11 wartet. Man kann sich kaum die große Betriebsamkeit und Bebauung der nächsten Jahre vorstellen.
Dort wo 1971 ein Kinderkarussell stand, steht heute das Werner-von-Siemens-Gymnasium.
Ein P-Wagen 1971 an der Kreuzung Quiddestraße stadteinwärts: heute ist die Trambahn hier verschwunden, der alte Badewannen-Ford-Taunus ist weitergefahren und Gras und Bäume über die Szenerie gewachsen.
Am 28.9.1973 wird die Verlängerung Strecke von der Heinrich Wieland Straße / nördl. Ständlerstraße um 800 m zur Fritz Erler Straße und Hans-Seidel-Platz fertiggestellt und in Betrieb genommen. Auch diese Strecke und Schleife mit Doppelgleis ist eine zeitlich begrenzte Baumaßnahme, weil 1973 parallel der U-Bahn nach Neuperlach begann. Die U-Bahn soll planmäßig 1980 die Trambahn ablösen.
Mit der Verlängerung der Trambahn verschwand auch die provisorische Schleife nördlich der Ständlerstraße, das Hinterstellgleis wurde als Betriebsgleis der neuen Strecke übernommen.
OB Kronawitter durchschneidet die Sperrkette für die neue Strecke nach Neuperlach-Zentrum am 28.09.1973.
Der Eröffnungszug P-TW 2017 in der Schleife Neuperlach Zentrum am 28.09.1973: wie sooft ist der Bahnsteig erst im letzten Moment (fast) fertig geworden.
In der Gegenrichtung auf der Linie 24 überquert am 14.10.1980 der Tw 2042 + Bw 3028 die Ständlerstraße auswärts
Der P-Tw 2015 auf der Linie 24 nach der Ständlerstraße einwärts auf der neuen Strecke am 28.09.1973
Der P-Tw 2041 + Bw 3036 fährt am 14.10.1980 ein paar Tage vor der Stilllegung der Strecke & Schleife in die Endstation Neuperlach Zentrum ein
Mit der Eröffnung der U-Bahnstrecke der U2 nach Neuperlach ist am 19.10.1980 Schluss mit der Trambahn. Die Schleife Neu Perlach / Hans-Seidl-Platz und die Trambahnstrecke wird aufgelassen. Von März 1989 – April 1989 findet auf der Strecke Fritz Erler Straße / Ständlerstraße der Rückbau der Gleise im Kreuzungsbereich statt.
Altes Trambahngleisbett auf dem Mittelstreifen der Heinrich-Wieland-Straße etwas südlich von der Haltestelle Neuperlach Nord. Hier geht es den Berg runter zur Ständlerstraße. Die Schwellen sind noch vorhanden. Blick ist stadtauswärts (13.05.2009)
Im August 2013 fanden Fahrbahn-Asphaltierungsarbeiten auf der Albert-Schweitzer-Straße statt. An der Kreuzung mit der Heinrich-Wieland-Straße (die Albert-Schweitzer-Straße geht dort in die Corinthstraße über) tauchten dabei nach der Entfernung des alten Fahrbahnbelags Reste der alten Neuperlacher Trambahn auf. Deutlich zu sehen sind die alten Holzschwellen.
© Thomas Irlbeck | Neuperlach.org
Linienchronik Neuperlach
Vom 12.09.1970 bis 27.05.1972 verkehrte die Linie 11 zur provisorischen Schleife nach Perlach, manchmal auch noch mit einem Heidelberger.
Ein M4-Tw 912 mit i-Bw 1501 auf der Linie 11 im Januar 1972 an der Haltestelle Perlach Nord
Ab dem 28.05.1972 fuhr die Linie 24 nach Perlach, bis 1973 zur provisorischen Schleife und bis zur Stilllegung am 18.10.1980 nach Neuperlach-Zentrum.
P-Bw 3034 + Tw 2037 in der Fritz-Erler-Straße einwärts als Linie 24 am 14.10.1980.
Für die Linie 29 endete die Fahrt nach Neuperlach immer an der provisorischen Schleife vom 12.09.1970 bis 28.05.1972.
U-Bahnhof Neuperlach-Zentrum
Der U-Bahnhof Neuperlach Zentrum liegt unter der Thomas-Dehler-Straße auf Höhe des Hanns-Seidel-Platzes zentral in der in den 1960er Jahren konzipierten Großsiedlung Neuperlach. Seine Lage wurde im Vorfeld zusammen mit dem neu angelegten Stadtteil und dessen Straßennetz geplant.
Der Bahnhof ist in seiner Grundgestaltung so aufgebaut wie die meisten anderen Bahnhöfe der 1980 eröffneten U8. Seine Wände sind mit in abgerundeten Gruppen angeordneten beigefarbenen Faserzementplatten verkleidet. Die Verkleidung der Säulen in Bahnsteigmitte ist hier jedoch mit silberfarbenem Metall ausgeführt und nicht wie sonst üblich mit Fliesen. Die Lampen sind nicht in Form der üblichen Lichtbänder angeordnet, sondern gruppieren sich in einzelnen quadratischen Lichthöfen über dem Bahnsteigbereich.
Der Bahnsteig ist auch wesentlich breiter als gewöhnlich und hat in der Mitte zwei großzügige Treppenaufgänge, die zum Sperrengeschoss unter der Thomas-Dehler-Straße führen. Von hier aus kann auch direkt auf den Bahnsteig und die Gleise hinabgeblickt werden, da die Bahnsteighalle deutlich höher als bei anderen Bahnhöfen ist und sich das Sperrengeschoss in Bahnsteigmitte galerieartig über den Bahnsteig schiebt. Im Sperrengeschoss befindet sich auch eine Bäckerei und ein Kiosk. Insgesamt soll mit dem Bahnhof ein großzügigerer Eindruck erweckt werden als bei den angrenzenden anderen, um den Charakter als Stadtteilzentrum zu stärken. Die Bahnsteighalle ist auch deutlich höher als in anderen, zeitgleich eröffneten U-Bahnhöfen. Vom Sperrengeschoss aus führen zahlreiche Aufgänge an die Oberfläche. Im Westen erstreckt sich eine breite Treppenanlage direkt zum Haupteingang des pep-Einkaufszentrums hinauf, im Osten eine überdachte Rollsteige zum Busbahnhof. Zwei Rampen und eine Treppenanlage führen östlich der Thomas-Dehler-Straße auf Straßenniveau. Der Bahnhof wurde bereits Mitte 1972 im Rohbau begonnen, aber erst acht Jahre später zusammen mit der gesamten Strecke bis Scheidplatz eröffnet.
© Text & Bilder Florian Schütz | u-bahn-muenchen.de
© FMTM e.V.
Diese Dokumentation entstand mit der Unterstützung von Peter Hübner, Klaus Onnich, Dieter Kubisch ✟, Florian Schütz und Frederik Buchleitner sowie dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Staatsarchiv München und besonders dem Stadtarchiv München. Recherchiert, zusammengetragen & umgesetzt hat diese Seite Reinhold Kocaurek.