Der lange Weg zur Oberleitung am Odeonsplatz
Die Elektrische Trambahn war zwar ein großer Fortschritt, weil man damit größere Reichweiten hatte und sich die Fahrgeschwindigkeit fast verdoppelte, aber die Oberleitung wurde als störend empfunden. In der Goethestraße ließ man Siemens mit einer Stromzuführung aus einer stromführenden Mittelschiene experimentieren, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. Besonders das in der naheliegende Residenz wohnhaste Königsgeschlecht ließ eine Oberleitung am Odeonsplatz nicht zu.
Schon vom 25.Oktober 1897 datiert ist das Gutachten zur unterirdischen Stromzuführung. Angeboten wurde ein System, bei dem in einem 22cm unter der Straße liegenden Kontakttunnel eine Schleifer aus dem Triebwagen den Strom aufnimmt. Damit ausgestattete Fahrzeuge brachten aber bei Tests nicht die gewünschten Resultate, besonders Kreuzungen und Weichen waren problematisch, aber auch Kurven. Weiter wurde die Isolation bei Regen und volllaufenden Kontakttunneln bemängelt. Auch Siemens bot ein System der unterirdischen Stromzuführung an, das dort seit 1889 problemlos liefe wie ein weiteres in Berlin. Nach diesem Gutachten war diese Art der unteridischen Stromzuführung für München vom Tisch.
Der Ideenreichtum dieser Zeit war schier grenzenlos: wenn eine elektrische Oberleitungstrambahn am Odeonsplatz nicht gewünscht wird, dann fährt man eben drumherum. Da gerade sowieso über die Gleislage in der Ludwigstraße gesprochen wurde, – der Trend ging ab 1899 zur Seitenlage der Schienen wie schon in der Maximilianstraße im gleichen Jahr, könnte man im gleichen Zug auch den Odeonsplatz über die von-der-Tann-Straße und Fürstenstraße umfahren.
Dieser Plan zeigt eine schematische Schnitt-Darstellung der Ludwigstraße von 1898 mit seitlicher Gleislage. Damit würde die Oberleitung nicht die gesamte Straße überspannen. In der Lindwurmstraße gab es ähnliche Planungen mit kombinierten Laternen-/Oberleitungsmasten, die von der Münchner Gießerei Kustermann geliefert wurden. Die Entwürfe hier sind ähnlich.
Der nun angedachte Akku-Lok-Schlepp-Betrieb benötigte ein Hinterstellgleis am Maximiliansplatz und eines in der Ludwigstraße. Dort plante man anfangs sogar eine Schleife mitten in der Ludwigstraße.
So zentrierte sich der Blick auf einen Betrieb mit 5 Akku-Loks, die die Triebwagen über den oberleitungslosen Odeonsplatz ziehen sollten. Nach einer Bauzeit vom 1.4. bis 4.4.1896 wurde am 4.4.1896 wird der Gleiswechsel am Odeonsplatz in Betrieb genommen, um besser die Reservewagen aufzustellen zu können und später die Akku-Vorspannloks zu rangieren.
Geschäftiger Akku-Schleppbetrieb am Odeonsplatz 1905: TW 152 wird gerade aus der Briennerstraße gezogen, im Hintergrund 2 Akkuloks in Warteposition für Wagen aus dem Norden. Dort war auch der Gleiswechsel zum Umsetzen der Akkuloks.
Mit den Betriebsnummern 29, 30 und 31 gab es ab 1897 auch 3 Hybrid-Triebwagen bei der Münchner Trambahn. Jedoch führten die Abdämpfe der Batterien, obwohl die Wagen vier Entlüftungs-Kamine an den Wagenkastenecken besaßen, zu großen Protesten der Fahrgäste. Daher wurde der Batteriebetrieb schon nach kurzer Zeit wieder beendet und die Batterien ausgebaut. Die Wagenkästen hatten sechs Fenster und offene Plattformen, waren aber einen Meter länger, als die ersten Union-Triebwagen.
Erst am 15.3.1906 durfte die Strecke Briennerstraße zwischen Maximiliansplatz (Schillerdenkmal) und Odeonsplatz mit Oberleitung elektrifiziert werden und damit war der Akku-Lok-Betrieb beendet.
Gerade kommt ein Triebwagen mit Sommer-Beiwagen am Maximiliansplatz vor dem Schillerdenkmal an und das Stangerl wird wieder eingesetzt und die Akku-Lok beiseite rangiert.
Die elektrische Trambahn mit ihrer Schnelligkeit und großen Reichweite beflügelte immer wieder Visionäre, weiter zu denken und weiter zu entwickeln.
Die Idee mit der Akku-betriebenen Trambahn brachte Pläne auf den Tisch, überhaupt nur mit Akku-Betrieb zu arbeiten. Doch die Hybrid-Wagen waren nicht erfolgreich. So dachte man, – damals gab es ja noch bis 1900 den Dampftrambahnbetrieb, die Dampfloks nur durch Akku-Loks zu ersetzen. Ich finde in den Archiven immer wieder Vorstöße in diese Richtung. Das nebenstehende Dokument ist mit Mai 1897 datiert und zeigt eine Verteilung von Ladestationen für die Akkumulatoren-Lokomotiven entlang der Ludwigstraße. Damals interpretierte man ein erstes ablehnendes Schreiben aus der Residenz zum Oberleitungsbetrieb, dass es die komplette Ludwig- und Leopoldstraße betrifft.
Dieses Dokument zitiert eine Formulierung, die bei allen Projektgenehmigungen durch den Königshof erscheint. So war es durchaus folgerichtig, alternative Strom-Zuführungen zu erwägen oder Akku-Betrieb. Diese Fragestellung hat sich bis heute gehalten, in Sydney fährt die Trambahn im Innenstadtbereich mit Stromschiene in der Mitte, eine Münchner Akku-Tram hält den Weltrekord in Kilometerleistung pro Akkuladung und für den Englischen Garten wird auch eine Lösung gefunden.