Paulanerkreuzung Regerstraße

1806 erwarb der Braumeister Franz Xaver Zacherl die ehemalige Brauerei des Klosters und führte die Bockbiertradition fortan unter dem Namen Salvator weiter. Zacherl starb Ende der 1840er Jahre. Da er kinderlos war, wurde nach seinem Tod die Brauerei durch seinen Neffen Ludwig Schmederer sowie Heinrich Schmederer übernommen und in „Gebrüder Schmederer Aktienbrauerei“ umbenannt. 1861 wurde der Salvatorkeller auf dem unweit der Brauerei gelegenen Nockherberg eröffnet.

Bilder aus der Zeit von 1890, die gerne als die gute alte Zeit bezeichnet wird: unten am Nockherberg der Zacherlgarten, die Brauereiausschank damals. Die gebrauten Fässer wurden entweder in die kühlen Stollen im Nockherberg gebracht oder mit schwerer Ochsen-Doppelbespannung über einen schlammigen Pfad zum Salvatorkeller transportiert.

Da sich die starken Steigungen der hier angelegten Bergstraßen von über 12 % als deutliche Verkehrshindernisse erwiesen, wurden zwischen 1890 und 1935 mehrere aufwändige Bergregulierungen vorgenommen. Auf unserer Postkarte von 1893 ist der neue Nockherberg schon zu sehen.

Hier setzt nun unsere Geschichte ein: die Schmederer Aktienbrauerei reicht am 6.Oktober 1893 bei der Generaldirektion der Staatsbahn den Antrag auf Errichtung eines Industriegleises ein und beantragt am 14.Oktober 1893 bei Magistrat eine Genehmigung für die Anpassung des Bahnübergangs an der Balanstraße und die Kreuzung der Auerkirchhofstraße, eine Verlängerung des Giesinger Wegs nach Süden nach Grünwald. Diese Straße war stark befahren, da sie schon eine Brücke über die 1870 gebaute Bahnstrecke nach Simbach und Braunau hatte. Heute kennt man diese Straße unter dem Namen Regerstraße und Franziskanerstraße. Dazu wird ein Bauplan des Industriegleises eingereicht.

Für eine bessere Übersichtlichkeit haben wir den breiten Gleisplan der Strecke von 1893 zweigeteilt, hier der Teil mit der sehr umfangreichen Ausfädelung aus der Staatsbahnstrecke am Ende des Ostbahnhofs auf der Höhe des damaligen Bahnübergangs an der Rosenheimerstraße.

Am südlichen Ende gibt es ein „Überholgleis“ zum Umsetzen der Loks und die Kreuzung mit der Auerkirchhofstraße, der späteren Regerstraße. In der Brauerei sind dann 2 Verladegleise geplant.

Im Folgenden wägen die vom Genehmigungsprozess betroffenen Ämter unter anderem die gefahren und die Bedingungen ab, unter denen ein Betrieb auf diesem wohl ersten Industriegleis Münchens genehmigt werden kann. Die Schmederer-Brauerei plant 3-5 Waggons in den Morgenstunden zur Brauerei und abends wieder durch Pferde zu bewegen. Ein größeres problem machen die beiden Bahnübergänge an der Rosenheimerstraße und der Balanstraße. An der Rosenheimerstraße ist der Magistrat im Disput mit der Staatsbahn, ob man eine Brücke oder Unterführung bauen sollte, die Balanstraße soll eine Unterführung bekommen, allerdings steht dort die in Planung befindliche Strecke nach Deisenhofen an.

Letzlich wird dieses Industriegleis unter 3 Bedingungen genehmigt:
1. dass bei Betrieb auf dem Industriegleis die Bahnschranke dort auf Anweisung geschlossen werden.
2. beim Rangierbetrieb niemals Wagen quer auf der Balanstraße oder Auerkirchhofstraße zu stehen kommen.
Ferner ist dafür zu sorgen, dass die Wagen begleitet sind und Personal den Verkehr sichert.

Weiter macht man mit der Schmererer-Brauerei einen Deal: die Brauerei gibt Grundstreifen ab, die zur gleichzeitig stattfindenden Regulierung des Nockherberges benötigt werden und bekommt den Grund für die Legung des Industriegleises. Doch das Industriegleis hat nun neue Hürden: an der Balanstraße wird eine Unterführung gebaut und das Industriegleis liegt neben den Staatsbahngleisen und die Gebrüder Schmederer müssen sich an den Baukosten beteiligen. Weiter beschließt der Magistrat, dass die Brauerei für die Nutzung der Auerkirchhofstraße für die niveaugleiche Kreuzung pro Jahr 20 M Konzessionsgebühr zu entrichten hat. Ab 17.Juli 1897 wird die Strecke genehmigt und geht in Betrieb.

Ab dem 28.9.1901 beginnt der Trambahnbetrieb auf der Strecke Tegernseer Landstraße ab St. Bonifatius Straße (Ostfriedhof)  und Auerkirchhofstraße (Regerstraße) und weiter über die Franziskanerstraße bis zum Rosenheimer Platz. Dabei muss die Trambahn das Industriegleis der Paulanerbrauerei kreuzen.

Schon 1907, dem Jahr, als die Regerstraße erstmals genannt wird, gibt es am 12.August 1907 anlässlich einer Betriebsfahrt der Linie 12 Beschwerden über den Zustand der Gleiskreuzung, die Wagen würden laut schlagen. Die Kreuzung wird ausgewechselt, die Kosten trägt vertragsgemäß die Brauerei.

Unser Plan vom März 1916 zeigt die Kreuzung mit dem Bahnanschluss der Paulanerbrauerei, dem Ausweichgleis und einer eingleisigen Straßenüberquerung der Regerstraße mit der Trambahn und wieder einer Aufspaltung auf 2 Gleise innerhalb des Brauereigeländes. Die Welfenstraße ist schon in Planung.

Der Zustand der Kreuzung des Anschlussgleises mit der Trambahn bleibt über die Jahre in Thema, wie diese Mitteilung vom 25.April 1923 zeigt.

Das Industriegleis zur inzwischen zur Paulanerbrauerei gewordenen Brauerei hat eine Besonderheit: es darf nicht von Lokomotiven befahren werden, weil der Unterbau nicht geeignet ist. 1928 merkt die Polizeidirektion an, dass sich der Verkehr auf dem Industriegleis zum Entstehungsjahr 1894verdreifacht hat, die Züge länger werden und von Elektrokarren bewegt werden und nicht mehr von Pferden. Es wird von einem tödlichen Unfall eines Mopedfahrers berichtet. Daraufhin bekommt dieser Übergang verschärfte Auflagen: Warntafeln für ungesicherten Bahnübergang 20 m vor der Kreuzung auf beiden Seiten und Fahnenträger vor und nach den Zügen. Nicht nur der bahnverkehr hatte zugenommen, auch der Lastwagenverkehr wurde stärker durch die Anlage der der Welfenstraße als direkte Straßenverbindung zum Ostbahnhof.

Im Jahr 1941 flattert der Paulanerbrauerei ein Brief des Bürgermeisters der Hauptstadt der Bewegung ins Haus: im Rahmen der gigantischen Neuplanung des Ostbahnhofs mit 9-gleisiger Streckenführung durch Giesing zum Südbahnhof muss das Industriegleis parallel zur Welfenstraße gelegt werden, was allerdings auch ungünstig sei, weil dieser 6-spurig mit Trambahnbetrieb ausgestattet werden solle.

Das Ende der Geschichte ist bekannt.

Ein kurzer Blick ins Gruselkabinett: die Pläne für den Münchner Osten und den Ostbahnhof von 1941. Nichts bleibt, wie es ist, allerdings das „Franzosenviertel bleibt fast unangetastet. Die Rosenheimerstraße als Verlängerung der Salzburger Reichsautobahn wird bis in die Stadt geführt.

Nachkriegszeit

Bei der Kreuzung vom Eisenbahn und Trambahn gelten strenge Regeln, die ortspolizeilich von der Regierung von Oberbayern festgelegt sich. Die Trambahngesellschaft und später die Verkehrsbetriebe haben weitere Regelungen für den sicheren Trambahnverkehr an solchen Kreuzungen herausgebracht.

Die Regerstraße im Mai 1960 ist auf diesem Bild abgelichtet. Rechts zweigt die Welfenstraße zum Ostbahnhof ab. Links hinter der Mauer befindet sich das Lager der Paulanerbrauerei, das über das Industriegleis im Vordergrund bedient wird. Es ist lediglich für Tram und Automobilverkehr durch ein Andreaskreuz gesichert.

1968 wird die Strecke Tegernseer Landstraße ab St. Bonifatius Straße (Ostfriedhof)  über die Regerstaße und  Franziskanerstraße bis Rosenheimer Platz, die Osttangente,  aufgelassen.

Vom 5.5.1997 bis Oktober 1997 werden auf der Strecke Tegernseer Landstraße ab St.-Bonifatius-Str. (Ostfriedhof)  über die Regerstraße und Franziskanerstraße bis Rosenheimer Platz und weiter durch die Milchstraße bis zur Wörthstraße die alten Gleise, die noch überteert unter der Fahrbahndecke lagen, entfernt und es beginnt der völliger Neubau von Unterbau und Gleise für die Wiederbelebung der Osttangente. 

Klaus Werner war wieder im richtigen Moment an der richtigen Stelle. als die Paulanerkreuzung 1997 wieder eingebaut wurde. Zwischenzeitlich hatte Paulaner sein Anschlussgleis ohne die Kreuzung betrieben. Der Film zeigt den Einbau bis zum ersten Zug, der wieder fahren konnte.

Das alte Paulanergleis zweigte am Ostbahnhof ab und führte über die Balanstraße. Dieser Brückenteil ist 2012 bei meinem Besuch ein verwunschener Ort.

Bei meinem Rundgang im Oktober 2012 entstanden diese Bilder des Paulaner-Anschlussgleises. Eine weitere Verbindung zur Hauptstrecke vom Ostbahnhof zum Hauptbahnhof zweigt auf der Höhe der ehemaligen Nudelfabrik Bernbacher ab. Diese wurde 1970 bei der Neugestaltung des Ostbahnhofs für den S-Bahnbetrieb nötig, da die alte Ausfädelung entfiel. Diese ist inzwischen auch schon verschwunden.

Die Bahn kann ganz schön nachtragend sein: noch 2012, als schon ein Jahrzehnt hier nichts mehr fuhr, leuchtet noch das Gleissperrsignal im Gebüsch.

Bereits das Vorgängerunternehmen, die 1898 in der Au gegründete Bäckerei von Josef Bernbacher, produzierte Bandnudeln. Doch erst der Sohn Anton baute die Nudelsparte aus, während Josef Bernbacher die Bäckerei weiter führte. So wurden Anfang der 20er Jahre erstmals Teigwaren industriell produziert. Der Firmensitz an der Bahnstrecke wurde ausgebaut und ein Nebengleis zum Paulaner-Anschluss geschaffen. Anfang der 2000er-Jahre verließ Bernbacher diesen Platz und heute stehen hier Wohnhäuser. Zurück blieb noch ein paar Jahre der verlassene Ladehof der Firma und quergelegte Schwellen auf den alten Zufahrtsgleis 1894 bis 1970.

Die eingleisige Strecke enden dann an einem Tor zum alten Lager der Paulanerbrauerei, das aber inzwischen ebenfalls verschwunden ist wie die ganze Brauerei.

Unser Kameramann Klaus Werner hat uns einiges Videomaterial zu dieser Eisenbahnkreuzung mit der Trambahn hinterlassen.

Hausbesuch im Oktober 2023, – man will ja auch nochmal vorbeischauen, über was man recherchiert und schreibt: natürlich ist so gut wie nichts mehr zu erkennen. Die Linie 25 fährt hier immer noch und bekommt an der Stelle der Kreuzung eine neue Haltestelle. Es ist gut, wenn in München so viele Wohnungen geschaffen werden.

Beim Neubau der Brücke an der Balanstraße verschwand der Brückenteil mit dem Zufahrtsgleis zum Paulaner komplett und es erinnert 2023 nur noch ein Schotterbett, das im Nirgendwo endet, an die alte Trasse.

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