Die Post-U-Bahn in München
Der Münchner Hauptbahnhof lag in unmittelbarer Nähe zum zwischen 1906 und 1913 errichteten Königlich-Bayerischen Verkehrsministerium, in dessen Seitenflügel an der Hopfenstraße auch das Bahnpostamt eingerichtet wurde. Im selben Gebäudekomplex lag an der Arnulfstraße auch das Postamt München 2. Dazwischen verliefen mit der Arnulfstraße in Ost-West-Richtung und der sie kreuzenden Seidlstraße zwei bedeutende Verkehrsachsen.
Daher wurde bereits mit dem Bau des Postamtes ein zunächst über 350m langer Tunnel errichtet, der vom Querbahnsteig unter dem Starnberger Flügelbahnhof in einer Kurve unter die Arnulfstraße geführt wurde. Er senkte sich ab und unterquerte die Seidlstraße und die dort verlaufenden Hauptsammelkanäle an seiner mit rund 6,80 m unter Straßenniveau liegenden tiefsten Stelle. Von hier verlief der Tunnel in die Keller des Postamts München 2 und in einer Kurve weiter bis zum vorläufigen Endpunkt unter dem Hof des Verkehrsministeriums. Der Tunnel hatte eine Breite von 2,34 m und war 1,18 Meter hoch und war aus vorgefertigten Betonteilen erbaut, und gegen das Grundwasser von außen abgedichtet. Der Betrieb wurde am 10. Oktober 1910 aufgenommen.
© Maximilian Dörrbecker
Im Dritten Reich entstanden umfangreiche Pläne für die Umgestaltung der Verkehrswege in München. So sollte der als Kopfbahnhof erbaute Hauptbahnhof in einen Durchgangsbahnhof auf Höhe Laim verlegt werden. In diesem Konzept war auch eine Post-U-Bahn-Trasse von Pasing bis zum Flughafen München-Riem vorgesehen. Die Pläne erreichten nur ein frühes Stadium, mit der Umsetzung wurde nicht begonnen.
Nach Kriegsschäden aus den Jahren 1944 und 1945 wurden Tunnel und Bahn repariert. 1948 nahm die Post-U-Bahn den Betrieb wieder auf. 1950 wurde das Bahnpostamt wegen des stark angestiegenen Postaufkommens umgebaut und die Bahn um gut 50 m bis direkt unter die neue Briefabfertigung verlängert. Der alte Endbahnhof wurde zum Betriebswerk.
1966 begann die Deutsche Bundesbahn mit Arbeiten für den ersten Bauabschnitt der S-Bahn München, die eine Verlegung des Post-U-Bahn-Tunnels unter der Seidlstraße notwendig machten. Der Betrieb wurde am 4. August 1966 eingestellt und der neue Tunnel gebaut. Unter der Seidl- und Arnulfstraße wurde ein neuer Abschnitt wieder aus Betonfertigrohren gebaut, durch den die Gesamtlänge 405 m betrug. Er lag nahe der Oberfläche und kreuzte die tiefer liegende S-Bahn in der Arnulfstraße. Schon am 20. Dezember 1966 nahm die Briefpost-Untergrundbahn den Betrieb wieder auf. Dabei wurde auch die Bahntechnik ausgetauscht.
1970 wurde die Station im Postamt München 2 aufgegeben. Am 21. April 1988 wurde der U-Bahn-Betrieb eingestellt. Im verkürzten Tunnel zum auf dem alten Grundstück neu gebauten Postamt wurde die Post mit bemannten Elektro-Karren transportiert. Dadurch entfiel das aufwändige, zweimalige Umladen auf die Post-U-Bahn. Mit der deutschlandweiten Umstellung der Briefsortierung auf zentrale Briefzentren und der Einstellung der Bahnpost endete der Transport zwischen dem Bahnhof und der „Hopfenpost“.
Bauarbeiten für die Post-U-Bahn 27.09.1966
Die erste Bahn aus dem Jahr 1910 war ein Gemeinschaftsprojekt von Locomotivfabriken Krauß & Comp. für den mechanischen Teil und den Siemens-Schuckertwerkenfür die Elektrik. Sie wurde bei einer Spurweite von 450 mm mit Dreiphasenwechselstrom von 155 Volt und 50 Hertz betrieben. Zwei Phasen waren als Oberleitungausgestaltet, als dritte Phase dienten die Schienen. Die Strecke war ständig unter Strom, die Stationen wurden nur zur Ausfahrt eingeschaltet. Damit war eine einfache Blocksicherung verwirklicht. Die Strecke war zweigleisig angelegt, auf jedem Gleis pendelte ein Zug aus vier Loren und der mittig eingestellten Lokomotive. Die Lokomotiven erreichten 3 PS (2,2 kW) und eine Geschwindigkeit von 10 bis 12 km/h. Jeder Wagen konnte 120 kg aufnehmen. Die Fahrzeit betrug etwa 100 Sekunden, es konnten zehn Züge pro Stunde abgefertigt werden. Die drei Lokomotiven (zwei in Betrieb, eine Reserve) wurden nach der Einstellung an das Deutsche Museum, das Verkehrsmuseum Nürnberg und das Bundespostmuseum in Frankfurt übergeben.
Lokomotiven der Münchner Post-U-Bahn,
In 1910 wurden die ersten Loks von den Siemens-Schuckert-Werken (Berlin) und Kraus (München) gebaut. Die führerlose Elektrolok (Drehstrom 155 V, 50 Hz, Leistung 2,2 kW, Höchstgeschwindigkeit 12 km/h), wurde von 1910 bis 1966 für Deutschlands einzige Post-U-Bahn verwendet. Der Tunnel führte vom Hauptbahnhof München bis zur 450 Meter entfernten sogenannten Hopfenpost (Postamt München 2) in der Hopfenstraße (Maxvorstadt) und retour. Im Jahr 1988 wurde der Betrieb eingestellt. Ähnliche Systeme gab es in London (1927-2004) und Zürich (1938-1981). Exponat im Deutschen Museum Verkehrszentrum, Halle I (Inv.-Nr. 77068)
Krauss FNr. 8104/1910 (el. Teil SSW), Typ EL 6, Bo-el, 450 mm
neu an Münchener Briefpost – Deutsche Reichspost, Postamt München „E 21“ /1967 Deutsches Museum, München „E 21“ (04.1998 vh)
Krauss FNr. 8105/1910 (el. Teil SSW), Typ EL 6, Bo-el, 450 mm
neu an Münchener Briefpost – Deutsche Reichspost, Postamt München „E 22“ /1966 Postmuseum Frankfurt/Main
Krauss FNr. 8106/1910 (el. Teil SSW), Typ EL 6, Bo-el, 450 mm
neu an Münchener Briefpost – Deutsche Reichspost, Postamt München „E 23“ /1966 Verkehrsmuseum Nürnberg „E 23“
Quelle: www.bahn-express.de
Seltener Blick in den Bahnhof der alten Post U-Bahn: sogar ein komplett ausgestatteter Arbeitsplatz für den Bahnhofsvorsteher fehlte nicht.
1966 wurden nochmal 4 neue Lokomotiven beschafft:
- 1 – Schöma FNr. 2972/1966 (el. Teil BBC FNr. 5769), Typ ETL 8, Bo-el, 450 mm
- .11.1966 geliefert an Bahnpostamt, München „1“
- 2 – Schöma FNr. 2973/1966 (el. Teil BBC FNr. 5770), Typ ETL 8, Bo-el, 450 mm
- .11.1966 geliefert an Bahnpostamt, München „2“ (siehe auch Bilder unten)
- 3 – Schöma FNr. 2974/1966 (el. Teil BBC FNr. 5771), Typ ETL 8, Bo-el, 450 mm
- .11.1966 geliefert an Bahnpostamt, München „3“
- 4 – Schöma FNr. 2975/1966 (el. Teil BBC FNr. 5772), Typ ETL 8, Bo-el, 450 mm
- .11.1966 geliefert an Bahnpostamt, München „4“
© BE 1989 (Feldbahnen in Bayern)
Der Neubau von 1966 stammte von Brown, Boveri & Cie. und verwendete eine Stromschiene mit 220 Volt Gleichstrom mittig im Gleis. Die zwei Gleise waren jeweils in den Stationen mit Rückfallweichen verbunden, so dass ein annähernder Kreisverkehr entstand. Zur Sicherung wurden zehn Blockabschnitte eingebaut. Es waren drei automatisch gesteuerte Züge aus einer Lok mit vier einachsigen Wagen unterwegs. Eine vierte Lok wurde in Reserve gehalten. Die Loks leisteten 6,8 kW bei einer Zugkraft von 2500 N mit einer Geschwindigkeit von maximal 10 km/h und einer daraus folgenden Fahrzeit von 132 Sekunden. Die Wagen wurden über einen Kippmechanismus auf ein Förderband entleert, das zu einer automatischen Aufhängung der Postbeutel führte. Die Arbeiter der Post be- und entluden die U-Bahn-Wagen und das Förderband und lieferten rund 11.000 Postbeutel am Tag an die Briefsortierung. Drei der vier Lokomotiven wurden wieder an dieselben Museen übergeben, die bereits die Vorgänger erhalten hatten.
Im Jahr 2003 standen eine alte Lok mit der Betriebsnummer 5770 und verschiedene Postwagen der Post U-Bahn in der Ausfahrt der alten Paketpost an der Wredestrasse. Kurz nachdem Robert Zweckstätter diese Fotos machte, waren die Loks und Wagen schon verschwunden (31. Juli 2003) und damit ein letztes Zipfelchen der Geschichte der Münchner Post U-Bahn.
Eigentlich könnte hier diese Geschichte zu Ende sein. Aber sie ist es nicht: im März 2022 bekamen wir vom Museum für Telekommunikation der Post aus Frankfurt Post: ob bei uns Interesse sowohl an der Post-U-Bahn-Lok von 1910 als auch der von 1966 und ein paar Wagen incl. Schienen bestünde. Und so kam im Januar 2023 die Post-U-Bahn wieder zurück nach München ins MVG-Museum.