Ramersdorf

Ramersdorf


Ramersdorf wurde erstmals im Jahr 1006 erwähnt, damals hieß es allerdings noch „Rumoltesdorf“. Auch eine Kapelle muss es damals schon gegeben haben, die spätere Kirche, um 1400 errichtet, zog bald viele Wallfahrer an. Damit ist Ramersdorf einer der ältesten Wallfahrtsorte in Bayern überhaupt. 

Dennoch blieb das Dorf bis ins 19. Jahrhundert ein Kaff. 1833 gab es gerade einmal 18 Häuser und 90 Einwohner, alle katholisch, außerdem 30 Pferde, 65 Kühe, einen Bock und eine Ziege. 1855 wohnten immerhin schon 390 Menschen hier, umgeben von Feldern und Wiesen. Zum 1. Januar 1864 wurde Ramersdorf schließlich mit 121 Hektar und 600 Einwohnern nach München eingemeindet

Wie viele Gemeinden rund um die Hauptstadt München gab es auch in Ramersdorf sehr viele Ziegeleien, denn die Hauptstadt baute und baute und hier wurde das Baumaterial hergestellt.

Der Bayerische Landbote beklagt in der Ausgabe vom 14.08.1858 den Zahn der Zeit und die Verkehrsentwicklung.

Verkehrsplanung aus dem Jahr 1895: Dieser legendäre Plan zeigt nicht nur eine erste Tunnelverbindung von Hauptbahnhof und Ostbahnhof, sondern auch schon einen ersten Gedanken an eine Trambahnlinie nach Ramersdorf und weiter nach Perlach sowie einen großen Bahnhof Perlach im Südosten der Stadt.

Planungspapier ist geduldig, wie auch das Folgende zwei Jahre später.

Im Januar 1895 plant man dann schon mal die Strecke einer Pferdebahn bis Ramersdorf. Doch diese Entfernung scheint zu lang für eine Pferdebahn und daher hebt man sich damals diese Planung nochmal auf für die gerade vom Färbergraben zum Isartalbahnhof geplante Elektrische und will die Erfahrungen damit auswerten.

1897 wurden dann die im Zuge der Euphorie der unendlichen Reichweite von elektrischen Trambahnen Planungen einer Trambahn nach Ramersdorf und weiter auf der Pfanzeltplatz in Perlach konkret. Zumindest auf dem Papier geht es durch das Dorf Ramersdorf weiter über die Felder nach Perlach und endet dort in einem kleinen Betriebshof. Sogar der genau Standort der Oberleitungsmasten und deren Verspannung ist schon eingezeichnet. 

Wenn nun im Herbst 2020 diese Pläne wieder aufleben, dann sind sie nicht neu, sondern weit über hundert Jahre alt.

Am 6.Oktober 1908 hat man zur ersten Mal die Strecke nach Ramersdorf komplett durchgeplant als elektrische Trambahn in den Osten. Es wurde damals eine einfache Schleife in der Straßenmitte geplant, der Autoverkehr spielte damals noch keine ernstzunehmende Rolle.

Ramersdorf mausert sich: die ersten Pläne für eine Trambahnlinie werden erstellt. Sie soll bis direkt vor die Kirche gehen, wo 1920 noch alles ruhig scheint.

Die Trambahn kam am 30.5.1926 nach Ramersdorf: auf der Strecke durch die Rosenheimer Straße wurde eine Schleife vor der Ramersdorfer Kirche gebaut. Baubeginn für diese neue Strecke war der 4. Okt. 1925, Bauende 17. April 1926.

Der erste Zug der Linie 31 trifft in Ramersdorf ein , an seiner Spitze der frisch gebaute und neu in Betrieb gegangene E 1.8-Tw 603. 

Da die Städtischen Straßenbahnen in den Kriegs- und Inflationsjahren keine neuen Fahrzeuge beschaffen konnten, entstand ein erheblicher Wagenmangel, der 1925 und 1926 durch den Kauf von 100 Dreiwagenzügen der Bauart E/e/e behoben wurde. Die 100 Triebwagen waren länger als die der früheren Serien und hatten erheblich größere, erstmals durch Türen ganz abgeschlossene Plattformen. Obwohl diese Fahrzeuge nach dem damaligen Stand der Technik durchaus modern waren und ganz gut aussahen, übte die Bevölkerung starke Kritik. Die unbeliebten Längssitze, die schweren „fingergefährdenden“ Türen und nicht zuletzt die Bestellung des überwiegenden Teils bei nord- und ostdeutschen Firmen füllten damals manche Zeitungsspalte mit bissigen Artikeln und Leserbriefen. Der in Fensterhöhe dunkelgrau und unten dunkelblau gehaltene Anstrich entsprach auch nicht den Wünschen der Münchner.

Die Ramersdorfer Schleife von 1926 ist eine typische Münchner Schleife ihrer Zeit, einfache Bauart und zwei Hinterstellgleise.

Past meets present: optische Montage der alten Schleife in Ramersdorf in die Karte von heute.

Der C-Tw 473 von der Linie 31 im Jahr 1926 in Ramersdorf mit Personal.

1911 wurden 38 Triebwagen des Typs C 1.6 mit von MAN hergestellten Maximum-Drehgestellen beschafft. Erstmals wurden hier Blattfedern statt Spiralfedern zur Abfederung der Achsen in den Drehgestellen verwendet und die Rahmenwagen waren aus Pressblech hergestellt und keine Gußteile mehr. Die C 1.6-Triebwagen wurden 1928 bei der Städtischen Straßenbahn in eigenen Werkstätten in D 2.6-Triebwagen umgebaut.

Trambahnplanungen

Anfang der 1920er-Jahre gab es sehr großzügige Planungen für die Zukunft der Trambahn in München: gerade der Osten Münchens sollte netzförmig mit den verschiedensten Trambahnlinien vernetzt werden. Aus der heutigen Sicht sieht das sehr optimistisch und weitdenkend aus, – allerdings wurden nur sehr wenige Teile dieses Plans auch umgesetzt: Die Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er und im Verlauf der 1930er Jahre begann mit dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929. Das bremste auch viele Projekte der Münchner Trambahn.

Die Bebauung der Rosenheimer Straße und die Tramanbindung 1926 ließen das Viertel langsam wachsen. Beiderseits der Gleisanlagen siedelten sich bald Industriebetriebe an. Die Urbanisierung stellte die Großstadt München vor zahlreiche Probleme – billige Wohnungen waren vor dem ersten Weltkrieg Mangelware, und so begann man mit städtebaulichen Förderprogrammen Wohnraum zu schaffen. Eines dieser Programme wurde im Münchner Osten verwirklicht und umfasste auch Teile von Ramersdorf: Zwischen Rosenheimer Straße und Ostbahnhof sollte auf mehr als 500.000 Quadratmetern eine neue Stadt für die sozial Schwachen entstehen – und bald galt Ramersdorf als Glasscherbenviertel.

Ramersdorf 1935

Ramersdorf 2010

1935 kommt die Autobahn aus Salzburg hier in Ramersdorf an und fortan ist der Kirchturm das Zeichen, dass man wieder zuhause in München ist.

Pfarrhaus 1947

Pfarrhaus 2010

Der 2. Weltkrieg ist zu Ende und rund um den Ramersdorfer Kirchturm der „schönen Maria Ramersdorf“ ist viel Zerstörung und Leid. Ein Zug der Schuttbahn beginnt mit der Schutträumung rund um und in Ramersdorf. Wenigstens die Kirche ist verschont geblieben.

Linie 21 E-Zweiwagen-Zug mit KOM an der Endhaltestelle Ramersdorf am 21.10.1951

Der M4-Tw 907 + m4-Bw 1735 der Linie 21 vor der Ramersdorfer Kirche am 19.5.1958

Wartehäuschen-Geschichte
Schleife Ramersdorf

Nicht zu übersehen: die Linie 21 fährt zum Botanischen Garten: von 1949 bis 1968 fuhr die Linie 21 von hier aus direkt zum Romanplatz und Wochenende auch verlängert zum Botanischen Garten. Auf diesem Bild kann man auch schön das alte aus dem Jahr 1929 stammende Wartehäuschen mit Toilettenanlage in der alten Schleife Ramersdorf sehen. 

Das Trambahnhäuschens in der alten Schleife Ramersdorf. Es besaß damals einen Münzfernsprecher sowie Aushangfahrpläne. Nach dem Krieg wurden die Seitenteile verglast. 1962 wurde es abgerissen, nachdem es abseits der neuen Schleife lag.

Die neue Schleife aus dem Jahr 1960 bekam schließlich 1962 ein neues Stationshaus mit einem Kiosk und „JOPA“-Eis. Auch ein schmaler Fahrgast-Unterstand kam dazu. Beide Bilder sind vom 13. August 1962, ein idealer Tag für ein Steckerleis. „Mog da Bua a Steckerleis?“

Als die Linie 24 ihren Betrieb einstellte, war auch die Zukunft des Trambahnhäusls zwischen den beiden Armen der Rosenheimer Straße ungewiss. Heute jedoch ist es ein gut gehender Nachbarschaftstreff mit Geschichte. 

Mehr unter trambahnhäusl.de

Die Bushaltestelle bei der Trambahn-Schleife Ramersdorf 1938. Im Hintergrund das Trambahnhäuschen.

Im Juli 1960 steht der Bus der Linie „C“ nach Waldperlach in der alten Schleife, allerdings winkt schon die Baustelle der neuen Schleife.

Von Ramersdorf gingen 1960 auch einige Buslinien weiter in die Aussenbezirke und auch Bahnbusse starteten und endeten hier.

Am 13. August 1962 hält der Bus 367 der Linie O95 an der neuen überdachten Haltestelle in Ramersdorf

Das Autobahnende der Salzburger Autobahn wird ausgebaut und die alte Kehrschleife ist im Weg. Am 6.9.1960 wird die Kehrschliefe aufgelassen und die neue Kehrschleife ca. 80m weiter zur Stadt verlegt. 

Past meets present: optische Montage der neuen Schleife in Ramersdorf Version 1973 in die Karte von heute.

Schöne neue Welt: mit dem Verkehrsplan von 1959/1960 wird die Stadt verkehrsgerecht, was in erster Linie damals autogerecht hieß: die Straßen breit und großzügig und die Fußgänger in den Untergrund. Die neue Wendeschleife in Ramersdorf wirkt am 30. Juni 1961 noch etwas clean und baufrisch. Das neue Stationshaus mit Kiosk fehlt auch noch.

Der 28.05.1972 ist der Tag, an dem der Linienverkehr zur Schleife vor der Ramersdorfer Kirche endet. Nach 46 Jahren wird es keine Trambahn mehr geben, die direkt nach Ramersdorf fährt.

Die Schleife wir 1980 endgültig stillgelegt und 2001 werden die Gleise entfernt.

Am 30.9.1973 erfolgt die Inbetriebnahme der Umleitungsstrecke der Linie 24 zum Michaelibad wegen Sperrung der Anzinger Straße für den U-Bahnbau. Die Strecke zweigt unmittelbar vor der Schleife in die Kirchseeoner Straße ab und verläuft weiter durch die Hechtseestraße.

Foto vom Bau der Umleitungsstrecke beginnend in Ramersdorf durch die Kirchseeoner Straße gebaut für die Trambahnen Richtung Neuperlach. Diese temporäre Baustellenumfahrung war dann zwar nur bis 1980 bis zur U-Bahn-Eröffnung in Betrieb, die letzten Gleise in der Kirchseeoner Straße wurden aber erst 2020 entfernt. In der Rosenheimer Straße liegen in bestimmten Abschnitten noch die Schienen in der abgetrennten Straßenmitte, die als Busspur verwendet wird.

Im Juli 1980 ist P-Zug 2041/3021 auf der Kirchseeoner Straße unterwegs und erreicht gleich die Haltestelle Ramersdorf

Am 19.10.1980 wird die Schleife vor der Ramersdorfer Kirche endgültig aufgelassen wegen Inbetriebnahme der U-Bahnlinie U8 Scheidplatz – Neuperlach und Anfang Oktober 2001 wird die Schleife vor der Ramersdorfer Kirche zurückgebaut mit Entfernen der kompletten Gleisanlage.

Tote leben länger: seit 2019 wird in Bezirksausschuss, Stadtrat und der MVG über eine Wiederaufnahme der Strecke vom Ostbahnhof nach Ramersdorf diskutiert.

Linienchronik der Schleife Ramersdorf
& Haltestelle Ramersdorf in der Kirchseeoner Straße

Vom 14.10.1968 bis 28.05.1972 kam die Linie 1 in Ramersdorf vorbei.

Mit der Linienreform im Mai 1972 zum MVV-Start wurde die Schleife Ramersdorf stillgelegt, ehe sie ein Jahr später mit Anschluss der Umleitungsstrecke der Tramlinie 24 über die Hechtseestraße wieder auflebte. Am 4. Mai 1972, wenige Wochen vor der ersten Stilllegung, wartet der J/i-Zug 744/1574 zur Abfahrt nach Moosach

Ab dem 20.07.1934 bot die Linie 4 von hier eine direkte Verbindung zur Hanauerstraße. Mit Kriegs-Unterbrechungen gab es diese Verbindung bis zum 29.04.1952.

Im März 1952 im Schnee steht der E-Tw 553 + e-Bw 1194 der Linie 4 in der Wendeschleife Hanauer Straße mit Zielschild „Ramersdorf“.

Die Linie 21 verband vom 17.09.1949 bis 14.10.1968 Ramersdorf mit dem Romanplatz bzw. wochenends mit dem Botanischen Garten

Der 04.11.1935 war der erste Betriebstag der Linie 24 auf der Schleife Ramersdorf und das ging dann bis 01.02.1940. Ab 30.09.1973 kreuzte die Linie 24 dann Ramersdorf durch die  Kirchseeoner Straße bis zu ihrem letzten Betriebstag am 18.10.1980.

Linie 24 mit Bw 3022 + Tw 2036 an der Haltestelle Ramersdorf auswärts am 14.10.1980

Ramersdorf war die Wendeschleife für die Linie 31 ab Eröffnung am 30.05.1926 bis 03.11.1935 und wieder von 17.10.1960 bis 09.04.1965.

Der C-Tw 473 von de Linie 31 im Jahr 1926 in Ramersdorf mit Personal.

Von 30.11.1942 nur bis 13.02.1944 fuhr auch die Linie 44 von Ramersdorf zum Willibaldplatz.

In eigener Sache: die Linie 44 ist in unserem Archiv sowas wie ein Gespenst, das unsichtbar ist: wir haben keine  Bilder von dieser Linie, was unseren Archivar fuchst, – man spricht ihn lieber nicht darauf an.

© FMTM e.V.

Diese Dokumentation entstand mit der Unterstützung von Peter Hübner, Klaus Onnich, Dieter Kubisch ✟, Florian Schütz und Frederik Buchleitner sowie dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Staatsarchiv München und besonders dem Stadtarchiv München. Recherchiert, zusammengetragen & umgesetzt hat diese Seite Reinhold Kocaurek.

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