1861 – 1876: Die Vorgeschichte
Die ersten Planungen, in München eine Pferdebahn auf Schienen einzurichten, entstehen bereits im Jahre 1861: Der deutsch-amerikanische Ingenieur S.A. Beer aus New York reichte am 27. September dieses Jahres sein Ersuchen um eine Konzession für eine Pferdebahn ein. Diese Bahn sollte auf im Pflaster verlegten Rillenschienen innerhalb der Stadt verkehren. Für die Fahrzeuge waren Räder ohne Spurkränze vorgesehen, sowie ein Fassungsvermögen von je 20 Sitz- und Stehplätzen. Der Stadtmagistrat erteilte diesem Ersuchen jedoch eine Absage; keine Stadt in Europa, so wurde argumentiert, habe bereits eine solche Bahn und in München bestünde derzeit für eine solche Einrichtung kein Bedarf. Darüber hinaus hatte der Lohnkutscher Michael Zechmeister im selben Jahr sein Omnibusunternehmen eröffnet und sein Liniennetz auf drei Linien ausgedehnt. Somit sei der für München entstandene Bedarf an öffentlichem Personenverkehr bereits ausreichend abgedeckt. Tatsächlich musste Zechmeister seine drei „Groschenwagen“-Linien bereits 1863 mangels Rentabilität wieder einstellen.
Erst 1868 wagte ein neues Konsortium verschiedener Magdeburger Ingenieure um die Herren Biehl und Hobohm den Vorstoß, mit einer neuen Bewerbung eine Konzession zu erhalten. Der Stadtmagistrat befasste sich nun ausführlicher mit diesem Gedanken, denn mittlerweile erfreuten sich die ersten deutschen Pferdetrambahnen regen Zuspruchs. So war im Jahre 1865 in Berlin eine Strecke bis Charlottenburg durch das Fuhrunternehmen Beeskow & Co. eröffnet worden. Ein Jahr später traten in Hamburg erste Pferdetramways desselben Unternehmens ihre Fahrt nach Wandsbek an und 1868 verkehrten die ersten Bahnen in Stuttgart. Auf ein technisches Gutachten des Stadtbauamtes hin wurde eine Kommission gebildet, mit dem Auftrag, die Stuttgarter Pferdebahn zu besichtigen. Die Kommission lehnte die Einführung der Pferdebahn jedoch ab: Die Stuttgarter hätten im Vergleich zu München die besseren Voraussetzungen, „da die dortigen Straßen, durch welche die Bahn zieht, eine Fahrbahnbreite von 60 Fuß und sehr schmale Trottoirs ohne Aufsitzsteine haben, so dass auf die Trottoirs gefahren werden kann.“ Der Magistrat einigte sich daraufhin, eine Pferdebahn in der Innenstadt abzulehnen, wohl aber eine Konzession für die Strecke vom Bahnhof zur Isar über den Sendlinger-Tor-Platz mit Abzweigen nach Schwabing und Nymphenburg zu erteilen. Außerdem musste die Gruppe eine Sicherheitsleistung von 100.000 Gulden hinterlegen. Der Bankier Dr. Wild übernahm die Finanzierung des Unternehmens, wobei er es sich nicht nehmen ließ, eigene Vorschläge zur Planung und Gestaltung des Vorhabens hervorzubringen, Diese waren vom Stadtmagistrat aber wenig geschätzt, es kam daraufhin zu Streitigkeiten, das Konsortium zog sich aus dem Geschäft zurück, nur Ingenieur Biehl wollte noch daran festhalten und verklagte den Dr. Wild auf Schadenersatz. Letztendlich aber war dies das vorläufige Ende für die Münchner Trambahnpläne. Stattdessen konnte im darauffolgenden Jahr, am 14. Oktober 1869, der Lohnkutscher Zechmeister nach fünfjähriger Unterbrechung sein Unternehmen wieder fortsetzen. Diesmal war die Nachfrage, resultierend aus wachsender Einwohnerzahl und zunehmenden Fremdenverkehr, groß genug, im Laufe des Jahres nach und nach eröffnete Strecken rentabel betreiben zu können.
Der Ausgang des Krieges von 1870/71 ließ hohe Reparationszahlungen erwarten, zusammen mit der Proklamation des Deutschen Kaiserreiches bewirkten die beginnenden Gründerjahre eine Verbesserung der Konjunktur, Kapital war überall reichlich vorhanden. Inzwischen waren weitere Pferdebahnen in Wien, Elberfeld, Dresden und Leipzig entstanden. Auch in München hatten sich eine Reihe namhafter Unternehmer beworben, um eine Trambahn zu bauen, unter ihnen die Berliner Internationale Pferde-Eisenbahngesellschaft, die Firmen Büssing und von Ettlinger aus Berlin sowie De la Hault & Donner aus Brüssel, Diodati aus Genf sowie Constable, Goldsmith & Co. aus London, um nur einige zu nennen. Ferner bewarb sich ein Münchner Spekulant, Hofrat Dr. Simmerl.
Die zunehmende Industrialisierung und die damit verbundene Bevölkerungszunahme in den Städten machten sich auch in München bemerkbar – so stieg die Einwohnerzahl von knapp 100.000 Bürgern im Zeitraum von 1854 bis zur Jahrhundertwende um ca. 400.000 auf fast eine halbe Million, nicht zuletzt auch durch die Eingemeindung zahlreicher umliegender Dörfer und Gemeinden. Nun überprüfte der Stadtmagistrat ernsthaft die Einrichtung eines leistungsfähigen Verkehrsmittels. Zu diesem Zweck reiste der Stadtbaurat Zenetti nach Dresden, Elberfeld und Hamburg, um die dortigen Systeme zu begutachten. Aufgrund seiner gewonnenen Erkenntnisse befürwortete er eine Pferdebahn in München, wobei die Bahn die Altstadt nur umfahren sollte. Weiterhin hielt er einen zweigleisigen Streckenausbau für am sinnvollsten.
Im Januar 1873 wurde der mit dem Hofrat Dr. Simmerl ausgearbeitete Vertragsentwurf vom Stadtmagistrat genehmigt. Aber offenbar hatte man es mit der weiteren Bearbeitung nicht allzu eilig: Erst nach vier Monaten besaß die Kgl. Polizeidirektion als Aufsichtsbehörde die Unterlagen und dort kam die Bürokratie voll zur Entfaltung. Die Akten wanderten in irgendeine Schublade und erst ein knappes Jahr später gab die Polizeidirektion eine Stellungnahme ab, nämlich, dass „vom straßen- und verkehrspolizeilichen Standpunkt gegen eine technische Ausführung einer Pferdebahn keine Erinnerung bestünde.“ Aber man hatte erhebliche Einwände: „Dagegen kann eine Ausdehnung besagter Pferdebahnlinien in das Innere der Stadt aus verkehrstechnischen Gründen nicht zugelassen werden, da sich in diesen Stadtteilen eine große Zahl von Industriellen niedergelassen hat, denen Tag für Tag große Quantitäten Waren auf umfangreichen Transportmitteln zugeführt werden und da ferner die Straßenkörper noch zu speziellen Verrichtungen wie Holzmachen, Entleerung von Abortgruben oder Beladen von Möbelwagen ununterbrochen in Anspruch genommen werden müssen.“
Daraufhin entbrannte im Magistrat ein Streit über die Linienführung der Bahn und das Jahr 1874 verging ohne weitere Fortschritte, obwohl auch schon Kaufleute an die Vorteile einer Pferdebahn und an die Auflockerung der Innenstadt durch Erschließung neuer Wohngebiete erinnerten. Ein weiterer Versuch eines neuen Konsortiums, darunter auch Dr. Zechmeister, der Sohn des Omnibusunternehmers, dessen Netz sich mittlerweile auf fünf Linien vergrößert hatte, scheiterte 1875 an diversen technischen und finanziellen Schwierigkeiten. Die Stadt war nun misstrauisch gegenüber einheimischen Unternehmern geworden, die sich für das Projekt anboten, und die Wahl fiel vorerst auf zwei ausländische Bewerber, zum einen die Société Générale des Tramways in Brüssel und zum anderen der Ingenieur Edouard Otlet, ebenfalls aus Brüssel. Letzterer konnte schon auf die erfolgreiche Inbetriebnahme von Pferdebahnen seines Systems in Prag und Wiesbaden verweisen.
Am 26. März 1876 schloss der Münchner Bürgermeister von Erhard mit Otlet einen noch zu genehmigenden Vertrag durch den Magistrat ab. Otlet erhielt eine Konzession auf 30 Jahre, wobei ein Liniennetz, bestehend aus zwei Linien, durch die Stadt geführt werden sollte.
- Die West-Ost-Linie: Nymphenburger Schlossallee – Neuhausen – Nyphenburger Straße – Stiglmaierplatz – Dachauer Straße – Bahnhofplatz – Karlsplatz – Sendlinger-Tor-Platz – Müllerstraße – Fraunhoferstraße – Klenzestraße – Gärtnerplatz – Rumfordstraße – Zweibrückenstraße – Ludwigsbrücke – Rosenheimer Straße – Bahnhof Haidhausen (heute: Ostbahnhof)
- Die Nord-Süd-Linie: Großer Wirt Schwabing (heute Münchener Freiheit) – Schwabinger Landstraße (heute: Leopoldstraße) – Ludwigstraße – Odeonsplatz – Brienner Straße – Lenbachplatz – Karlsplatz – Bahnhofplatz – Bayerstraße – Hackerberg (Theresienhöhe)
Außerdem war ein Betrieb im 10-Minuten-Takt vorgesehen, wobei an den Bahnhöfen stets Anschluss zu den Zügen gewährleistet sein sollte. Die Stadt München beanspruchte für die Benutzung städtischen Grundes 1% der Bruttoeinnahmen. Am 20. Mai 1876 erteilte König Ludwig II. die Konzession und am 23. Juni 1876 wurde der Vertrag unterzeichnet. Schon im Juli begannen die Bauarbeiten für die erste Teilstrecke vom Promenadeplatz zur Nymphenburger Straße, wobei an den Endpunkten keine Kehrschleifen, sondern nur Umsetzgleise vorgesehen waren.
weiter: 1876 – 1900: Die Pferdebahn und der Beginn der „Elektrischen“
Autor: Klaus Onnich FMTM eV., Leiter Fahrdienst Bus Ost und stv. Betriebsleiter BO Kraft der Stadtwerke München GmbH