Die Hackerbrücke hat eine sehr bunte Geschichte, die wir hier versuchen zu entwirren. Da ist der recht kurz gehaltene Wikipedia-Eintrag wenig hilfreich, weil er sehr unscharf ist und viele Tatsachen weglässt.
Das Thema Hackerbrücke und ihre Vorgeschichte ist seit vielen Jahren, bevor ich begonnen habe, hier zu recherchieren, sehr umfangreich von unserem Vereinsmitglied Gert v. Rosen dokumentiert worden.
Presseschau
10. und 12 August 1867 wird über die Planung eines Tunnels an dieser Stelle berichtet, den aber der Magistrat ablehnt.
Am 15.September 1867 kommt als Ersatz bringt der Magistrat für den verworfenen Tunnel eine Brücke ins Gespräch.
19.März 1869
Die namensgebende Herbststraße lag im Vorfeld des damaligen Doppelbahnhofs, dem Staatsbahnhod bzw. „Centralbahnhof“ und dem „Ostbahnhof“ ** (BOB), 300m östlich der ersten Brücke, die als Ersatz für den längst problematisch gewordenen, als Bahnübergang dienenden mittleren Abschnitt dieser Straße errichtet wurde. Damit konnte der auf der Bahntrasse befindliche Straßenabschnitt aufgelassen werden; der südlich des Bahngeländes zur Bayerstraße hin führende Teil ist später wegen des dort befindlichen Zollamtes in Zollstraße umbenannt worden. Ein Bericht des „Augsburger Tagblatt“ (4.8.1860 No.213 S.1733) schildert 1860, wie der Hofopernsänger Lindemann dort verunglückte als er bei offenen „Barrieren“ bzw. Bahnschranken von einem unvorhergesehen heranrollenden „Rollwagen“ bzw. offenen Arbeitswagen am Fuß verletzt wurde. Fast zwei Monate dauerte sein Krankenstand.
Abb. 1 Planskizze: Herbststraße und Bahnhöfe mit Gleisanlagen, 1862
Rechts vom Bahnübergang Herbststraße befanden sich die Lokrotunde der Staatsbahnen und links das Maschinenhaus der Ostbahnen. Die Strichellinie dazwischen bildet die Grenze zwischen den Arealen beider Bahngesellschaften (im Bereich des Verbindungsgleis Paares).
Trotz der großen Problematik des Bahnüberganges erstaunt es, dass erst so spät mit dem Bau einer Brücke begonnen wurde. So stand schon im Augsburger Tagblatt vom 1.1.1860 lesen: „Sicherm Vernehmen nach soll die durch Eisenbahnen unterbrochene Verbindung zwischen der Bayerstraße und dem Marsfelde durch eine Kettenbrücke wieder hergestellt werden, die sowohl für Wagen als Fußgänger eingerichtet werden soll. Für die Bahnhöfe würde sie eine Zierde, für den Verkehr ein schätzbares Verbindungsmittel werden. Man ist gegenwärtig daran, die Pläne derselben zu revidiren.“
Abb. 2. Planskizze, 1869*, Ausschnitt, l. Entwurf Herbststraßenbrücke, r. Herbststraße, rot: Grenzzaunverlauf KBE-BOB.
Die Skizze der Abb. 2 ist undatiert, stammt sicher von 1869. Auf der kompletten Skizze ist rechts noch die Lokrotunde eingezeichnet, aber mit Gleisen überplant und mit abgebrochener Südhälfte. Die Abbruchsgenehmigung lag 1869 vor. Der Entwurfsplan der Herbststraßenbrücke zeigt, dass sie ursprünglich etwas weiter westlich, über die Remise der Ostbahn hinweg führend geplant war, nahe dem kurzen Weg, der von der Straße westlich des Pschorrkellers nach Norden abzweigt (> Skizze 1).
Schließlich ist der Brückenzugang zum Ende dieser Straße hin verwirklicht worden. Welche Gründe Bauverzögerung und Verlagerung veranlasst haben ist nicht gewiss. Es gab aber auf der Südseite der Bahn diverse Privatgrundstücke mit Bauten und befestigten Wegen. Bekannt ist dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staatsbahnen und dem Brauereibesitzer Pschorr im Zusammenhang mit Gleiserweiterungen gegeben hat und dass letzterer sogar beabsichtigte, gegen die zwangsweise angeordnete Grundabtretung gerichtlich vorzugehen (Augsburger Tagblatt 20.5.1862 S.1203).
Abb. 3. Planskizze: Herbststraßenbrücke und Bahnhöfe ~1870, gestrichelt: Herbststr.
Der Ausschnitt einer etwas moderneren Karte zeigt, dass die Herbststraßenbrücke genau in der Flucht der Wredestraße lag. Merkwürdig ist, dass in Stadtplänen die Brücke nur 4 Joche zeigt.
Abb. 4. Stadtplan, Ausschnitt (rote Vermerke von 1889)
Abb. 5. Herbststraßenbrücke, unmittelbar vor Fertigstellung, 1870. Im Hintergrund das Marsfeld.
1870 ist die Brücke schließlich fertiggestellt worden. Auf dem Bild (SO Ansicht) sieht man mit der Fertigstellung der Straßenplanie befasste Arbeiter. Links vom 4. Joch ist die damalige Holz- und Kohlenremise der Ostbahn mit der Schiebebühne davor als dunkel wirkendes Gebäude erkennbar
Die Blechbalken-Gitterbrücke hatte fünf Joche, wie auch das Foto belegt, und zu beiden Seiten von der Fahrbahn abgetrennte Fußgängerwege. 1871 führte unter der Brücke schon die beachtliche Anzahl von 23 Gleisen hindurch, nämlich (von Süd nach Nord) 2 Rangiergleise, je 2 Gleise Braunau/Rosenheim und Holzkirchen, 1 Maschinengleis, je 2 Gleise Landsberg/Starnberg, Augsburg und Ingolstadt, 1 Werkstättengleis, zuletzt 9 Gleise der Ostbahn, davon das drittletzte nach Landshut.
Abb. 6 Herbststraßenbrücke, Querschnitt, 1871
20.Juli 1869 Anzeige
Ausschreibungen zum Bau
15.November 1868 Anzeige
München wäre nicht München, wenn nicht gleich nach Eröffnung der neuen Brücke die Grantler daherkämen. In dem Leserbrief geht es um die Gefahren, die lauern, wenn man eine Brücke benutzt.
Es gibt solche Momente im Leben eines Historikers, wenn er die Stecknadel im Hauhaufen findet. Unsere grandiosen Archive in München haben eigentlich alles archiviert, – man muss es jetzt nur noch finden. Weite Teile der Archivbestände sind analog und weder verschlagwortet noch im Netz recherchierbar. Hier muss man sich stundenlang durch lange Regale mit alten Abgabebüchern in den Repetitorienzimmern fräsen, die wiederum auf Ablageort verweisen, die allerdings schon mehrmals ihre Archivnummern seit dem 19.Jahrhundert gewechselt haben. Weiter gehört dazu ein Gespür für alte Bezeichnungen und Schlagworte. Und es gehört eine Portion Glück dazu wie in diesem Fall, als ich eigentlich wegen einer anderen Geschichte recherchierte und ich bei den „Eisernen Brückenüberbauten“ hellhörig wurde.
Auf 800 Seiten in altdeutscher Schrift findet man hier die Geschichte der Hackerbrücke bis in die letzte Niete. Wir können bei unseren Erklärungen immer nur die wichtigsten Tatsachen zusammenfassen. Es liest sich oft wie ein Krimi, z.B. sind verschiedene Bauunfälle vermerkt, bei denen Teile der Konstruktion abstürzten, Verzögerungen wegen Wind & Schnee und immer wieder kleinerer Streitigkeiten wegen irgendwelcher Details, auftretender Probleme oder Kostenübernahmen. Die Baupreise sind dagegen selten ein Thema, die wurden bei der Hackerbrücke festgelegt und eingehalten.
Ab dieser Stelle der Geschichte ab 1893 haben wir nun zwei Hackerbrücken im Blick, die neue Hackerbrücke und die alte Hackerbrücke. Denn beim Abbruch der alten (Herbststraßen-)Hackerbrücke wurde diese weiterverwendet und läuft bei uns jetzt unter alte Hackerbrücke. Die heute noch bekannte Hackerbrücke ist bei uns nun die neue Hackerbrücke.